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Die Philosophin

Die Philosophin

Titel: Die Philosophin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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…« Sie stockte, dann fügte sie hinzu: »Es war Gottes Wille, was damals geschehen ist.«
    »Mag sein«, erwiderte er. »Aber ist es nicht auch eine Frage der Gerechtigkeit?« Er richtete sich neben ihr auf, und obwohl sie ihn in der Dunkelheit nicht sehen konnte, wusste sie, dass er sie anschaute. »Gerechtigkeit kennt keine Zeit. Ich könnte dir helfen, den Mann zu finden, der gegen deine Mutter ausgesagt hat, den Mann mit dem Federhut. Es muss Akten geben, Berichte, Protokolle …«
    »Das wollen Sie für mich tun? Wirklich? Aber ich habe doch gar nichts getan, womit ich das verdiene?«
    »Sag nicht länger Sie zu mir, Sophie! Du bist jetzt meine Frau.«
    Ohne ein Wort zu sagen, drückte sie seine Hand. Dann spürte sie seine Lippen auf ihrer Wange – ein leiser, ganz zarter Kuss in der Finsternis.
    »Auf welcher Seite möchtest du liegen, um einzuschlafen?«, fragte er.
    »Auf der linken«, flüsterte sie glücklich und drehte sich auf die Seite.
    Ja, dachte sie, als sie endlich die Augen schloss, sie habe den richtigen Mann gefunden, einen einfachen, rechtschaffenen Mann, der sie lieb hatte und bereit war, das Leben mit ihr zu teilen. So wohlig, als hätten Engel sie gebettet, schlief sie ein, Rücken an Rücken mit Antoine Sartine, Leutnant der Pariser Kriminalpolizei, der immer noch ihre Hand in der seinen hielt.
    Nur einmal, für eine Sekunde, sah sie Diderots Gesicht. Aber das war schon im Traum.

18
     
    Diderot fand in dieser Nacht keinen Schlaf. Während der große Krake Paris satt und träge dem neuen Tag entgegendämmerte, fühllos für die Reizungen und Blähungen in seinem Gedärm, saß Diderot in seinem scharlachroten Morgenmantel an seinem Schreibtisch, den Gänsekiel in der Hand, die Augen blank von Tränen. Denn es war weder das Geratter der Kutschen noch das Rufen der Nachtwächter, das ihn zu so später Stunde noch wach hielt, sondern die bittere Erkenntnis, dass die Liebe die gemeinste, die heimtückischste, die niederträchtigste aller Illusionen war, Blendwerk des Himmels oder der tierischen Körpersäfte im Menschen, einzig dazu erfunden, jeden in die Irre zu führen, der ihr anheimfiel. Es gab keine Liebe, es gab nur Liebschaften oder Überdruss – die Liaison mit Madame de Puisieux oder die Ehe mit Nanette. Wer anderes behauptete war ein Märchenerzähler.
    In einer Mischung aus Wut und Enttäuschung nahm Diderot ein Manuskript hervor, das befleckt war vom Staub der Straße:
Die Prinzessin Mirzoza und der Sultan Mongagul.
Er barg so viele Geschichten in sich, die alle zur Wirklichkeit drängten, und er hatte seinen Geist, seine Energie, seine ganze Lebenskraft an die falsche vergeudet, in dem Wahn, hier seine wahre Geschichte gefunden zu haben, den einen großen Roman, den das Schicksal allein ihm vorbehalten hatte, eine Liebe,wie sie in keinem Buch sonst geschrieben stand. Aber Sophie war nicht Mirzoza, so wenig wie er ein orientalischer Sultan war – sie hatte ihn verraten!
    Wie hat er sich nur so in dieser Frau irren können? Sophie – eine Prinzessin? Eine kleine Metze war sie, die sich dem Erstbesten an den Hals warf! Tausende gab es von ihrer Sorte in den Kaffeehäusern von Paris. Am selben Tag, an dem sein großer Traum in Erfüllung gegangen, die Enzyklopädie vom Kanzler des Königs zum Druck freigegeben worden war, an dem Tag, an dem dieses Buch, mit dem er die Welt verändern wollte, tatsächlich konkrete Gestalt annahm, hatte sie einen Polizeioffizier geheiratet, einen Spitzel und Spion.
    Er schlug sich gegen die Stirn, dass es schmerzte. Was für ein Idiot war er gewesen! Zum Narren hatte er sich gemacht! Auf fünfzig Louisdors hatte er sogar verzichtet, weil er wie ein lustkranker Kater an die Chimäre namens Liebe hatte glauben wollen, wider alle Vernunft und Philosophie. Was war die Liebe denn schon? Nichts weiter als der Austausch zweier Launen und die Berührung zweier Häute!
    Plötzlich hatte er eine Idee. Er kannte nun die Wahrheit dieser Frau und beschloss, ihren Roman von Grund auf umzuschreiben. Er würde Sophie vor aller Welt entlarven, ihre Seele entblößen, ihre ganze widerliche Geschichte so erzählen, wie sie es verdiente. Mit Hilfe eben jenes Organs, aus dem allein die Weiber zu kurieren waren. Er zerriss die Seiten seines Romans und schrieb einen neuen Titel auf ein Deckblatt:
Die geschwätzigen Kleinode.
Er würde das Honorar gerecht teilen: Zwanzig Louisdor für die Miete und seine Frau, dreißig für seine Mätresse und das Vergnügen.
    Mit dem

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