Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)
Kniekehle. Mit einem Plumps saß ich wieder. Jimmy schlug auf mehrere Schalter an der Wand – und ich meine damit wirklich schlagen –, seine Faust schoss vor, und das Plastik protestierte knirschend.
Schwere Vorhänge glitten vor die Fenster. Mit einem dumpfen Geräusch erloschen die Lichter.
Von der gegenüberliegenden Seite hörte man wieder die Hilfeschreie der Plastikschalter, in der Sofaecke wurde es ebenfalls dunkel. Ich blieb einfach sitzen, wo hätte ich auch hingehen können?
„Komm her.“ Aus der Finsternis kam seine Stimme. Flüsternd klang sie so wie immer, und mir stockte der Atem.
Im Dunkeln konnte ich jetzt ziemlich gut sehen. Nicht grandios, nicht alles, aber wenn man bedenkt, dass es um mich herum stockfinster war und ich problemlos Jimmys Umrisse sowie auch die der meisten Möbel erkennen konnte, fand ich es schon bemerkenswert.
Er schoss durch den Raum und war im Nu bei mir. Als er mich berührte, verschlug es mir vor Überraschung den Atem, und das musste ich noch nicht einmal schauspielern. An diese Geschwindigkeit konnte ich mich einfach nicht gewöhnen.
„Küss mich zurück“, wiederholte er.
Ich bekam eine Gänsehaut. Beim letzten Mal, als ich diese Stimme in der Dunkelheit gehört hatte, hätte ich ihm alles gegeben. Beim letzten Mal.
Jimmy streichelte mich so zärtlich, dass es mir fast den Atem verschlug. Wie konnte er mich nur so berühren und dabei nicht an die Vergangenheit denken. Das war doch unmöglich. Denn er erinnerte sich ja, nur war es ihm gleichgültig geworden. Vielleicht aber doch nicht ganz, denn warum sollte ihm sonst daran liegen, ob ich ihn nun küsste oder nicht?
So leicht wie ein Flüstern berührten seine Lippen meine. Mit einem Seufzer öffnete ich den Mund. Er schmeckte wie immer, roch wie immer. Musste er nicht wie ein Vampir riechen? Nach vergammeltem Fleisch, staubigem Friedhof, irgendetwas Ekligem? Doch ich roch nur Jimmy.
Ich wollte mein Gesicht in seinem Nacken vergraben und seinen Duft so tief einatmen, als wollte ich ihn nie wieder verlieren. Mit den Fingern wollte ich ihm durchs Haar fahren, mit den Fingerspitzen seine Lider streicheln und seinen Wimpernschlag auf meiner Haut fühlen – Schmetterlingsküsse.
Statt mich aufs Bett zu werfen, blieb er sitzen und zog mich zwischen seine Beine, rieb seine Wange an meinem nackten Bauch, ließ seine Stirn an meinen Brüsten ruhen. Mit den Armen umschlang ich seine Schultern und hielt seinen Kopf in meinen Händen. Ein lauter Schlag, und mein Herz begann zu rasen. Wann hatte er mich das letzte Mal so berührt?
Sein Atem war wie ein kühler Frühlingswind. Alles fühlte sich so gut, so richtig an – seine Hände an meinen Hüften, seine Lippen an meinen Brüsten.
Solange ich das rote Funkeln in seinen Augen nicht sah, solange er nicht sprach und schreckliche Dinge sagte, konnte ich vergessen, was mit ihm und mir geschehen war. Ich konnte so tun, als wäre jetzt damals.
In der Dunkelheit konnte ich so tun, als wäre es immer noch Jimmy, den ich in den Armen hielt.
37
I ch schmiegte mich an ihn, drückte meine Lippen auf sein Haar und hielt ihn einfach nur fest. Erstaunlicherweise ließ er es zu.
Von der Vergangenheit hatte ich gesprochen, hatte ihn an unsere Liebe erinnert, doch er hatte sich nur immer weiter von mir entfernt.
Aber was wäre, wenn ich es ihm einfach zeigte? Ich würde seine Erinnerung an sich selbst und an uns zurückbringen, indem ich ihn einfach liebte.
Ich hatte Angst. Nicht so sehr, dass er mich durchschaute und mich tötete, sondern dass mich meine Gefühle noch viel mehr gefangen nahmen, als es dieses Gebäude aus Marmor und Glas schon tat. Wenn ich meiner Liebe zu ihm freien Lauf ließ, würde ich dann jemals wieder über ihn hinwegkommen? Wäre ich dann noch imstande, ihn zu töten, wenn es sein musste?
Wenn ich nicht rasch handelte, würde ich schon sehr bald tot sein oder mir zumindest den Tod herbeisehnen. Ich musste diese Chance um jeden Preis wahrnehmen.
Seine Lippen bewegten sich auf meiner Haut; er flüsterte etwas, das ich nicht verstand, sanft wie ein Gebet. Das konnte doch nicht sein.
„Schsch“, raunte er, als wenn er mich beruhigen wollte. Dann küsste er die Bucht zwischen meinen Brüsten und rieb sein Gesicht an mir, als wollte er meine Seele in sich aufnehmen.
Er nahm meine Brustwarze in den Mund, keine Zunge, keine Zähne. Es war kein Saugen und auch kein Küssen, eher ein zartes Liebkosen; dann wanderten seine Lippen, die so köstlich kühl
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