Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)
zu Fall bringen konnte, und auch Jimmy, wenn er sich nicht wieder änderte, und würde in den Tod dafür gehen.
Vermutlich stand das sowieso schon fest.
Einer der Lakaien reichte dem Herrn ein Telefon. Als er anfing, fröhlich auf Italienisch zu schnattern, verlor ich das Interesse.
„Gehen wir.“ Jimmy nahm meinen Arm und führte mich aus dem Hauptquartier zum Fahrstuhl. „Du musst dich ein wenig erholen.“
„Nennt man das jetzt so?“, zischte ich.
„Möchtest du nicht etwas essen?“
„Keinen Hunger.“ Mein Magen begann laut zu knurren.
„Wenn du dich verausgabst, ändert das auch nichts.“
Es stimmte, was er sagte. Wenn ich auch nur die geringste Chance hatte, hier herauszukommen, musste ich essen, schlafen und mir ein paar Klamotten besorgen.
Als sich die Fahrstuhltüren öffneten, waren wir wieder im Penthouse. Der Tisch war für eine Person gedeckt. Steak. Backkartoffeln. Spinat. Bordeaux. Sollte ich etwa wie das sprichwörtliche Opferlamm gemästet werden?
Ja.
Trotzdem setzte ich mich an den Tisch und verputzte alles restlos. Dann lehnte ich mich zurück, schwenkte das Weinglas und nippte genüsslich.
Die Sonne ging langsam unter. Riesige Schatten lagen auf den turmhohen Gebäuden ringsum. Von hier oben aus war es schwer vorstellbar, dass weit unten Menschen durch die Straßen eilten. Von hier oben aus war es schwer vorstellbar, dass es in der Welt überhaupt noch andere Probleme gab als meine. Doch mein Problem war ja die Welt und ihre Rettung.
Jimmy lümmelte auf dem Ledersofa, die nackten Füße auf dem Couchtisch. Sein Hemd stand offen, und der Stoff rahmte seine bildschöne Brust ein. Alle Schnitte, die sein Vater ihm beigebracht hatte, waren verschwunden; die Haut seines muskulösen Oberkörpers war weich und leicht gebräunt. Perfekt.
Ich wandte den Blick von ihm ab und nahm einen großen Schluck.
„Du willst mich“, sagte er.
„Nein.“
„Ich kann dein Verlangen förmlich riechen, Elizabeth. Du kannst es nicht verbergen.“
Unsere Blicke trafen sich, und ich versuchte, meine Bestürzung über seine Veränderung zu verbergen. „Das bildest du dir ein.“
„Unsere Sklavinnen werden Sklavinnen ihres eigenen Verlangens. Irgendwann wirst du nicht mehr weglaufen, selbst wenn ich dich ließe. Du wirst mich nicht mehr verlassen können. Du wirst mich freiwillig Meister nennen.“
„Träume nur weiter.“
Er lächelte. „Du wirst schon sehen.“
„Nur weil mein Körper für dich empfänglich ist, heißt das nicht, dass ich dich will.“
„Nein?“ Sein Lächeln wurde immer breiter. „Was heißt es dann?“
Obwohl es mir in den Fingern juckte, ihm den Wein ins Gesicht zu schütten, riss ich mich zusammen und nahm noch einen Schluck, bevor ich einen letzten Versuch unternahm, ihm nahe zu sein.
„Wenn ich dich nicht zu genau ansehe oder dir zu gut zuhöre, dann kann ich mich daran erinnern, wie es damals war. Damals, als ich dich geliebt habe.“ Ich holte tief Luft, um einmal die Wahrheit zu sagen. Was konnte es schon schaden? Das hier war nicht mehr Jimmy. „Ich habe dich mehr geliebt als jeden anderen Menschen in meinem Leben. Dich und…“ Mir brach die Stimme weg, doch ich zwang mich, zu Ende zu sprechen. „Dich und Ruthie.“
„Liebe spielt überhaupt keine Rolle.“
„Liebe ist alles.“
Er hatte sich so rasch vom Sofa erhoben, dass ich mir vor Schreck den Wein über die Hände goss. Der Bordeaux tropfte auf das Tischtuch, und seine dunkelrote, fast schwarze Farbe erinnerte mich an Blut und wie es im Vollmond schimmert. Ich musste die Augen abwenden.
Jimmy riss mich an den Ellenbogen hoch. Glücklicherweise hatte ich den Wein schon abgesetzt. „Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht mehr von der Vergangenheit sprechen.“
„Meine Liebe zu dir gehört auf jeden Fall zur Vergangenheit“, murmelte ich.
„Gut“, sagte er und küsste mich.
Er hielt mich zu fest, küsste mich zu heftig. Mir blieb nichts anderes übrig, als die Muskeln anzuspannen und mich zur Wehr zu setzen. Doch das half erst recht nicht. Seine Umarmung wurde nur noch fester, seine Küsse noch wilder.
Jimmy hob den Kopf und starrte mich mit seinen schwarzen, leicht ins Rötliche changierenden Augen an. „Küss mich auch.“
„Du kannst mich nicht zwingen.“
Seine Finger gruben sich schmerzhaft in meinen Arm. „Das werden wir ja sehen.“
Ohne Vorwarnung ließ er mich los, und der Stuhl, auf dem ich gesessen und aus dem er mich hochgezogen hatte, knallte mir in die
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