Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)
würde mich verstecken, aber wo? In dem Hogan säße ich so gut wie in der Falle.
Im Wasser? Auch nicht viel besser. Bestimmte Schlangen können schwimmen.
Auf einem Baum? Vielleicht. Nur dass sich leider alle Bäume auf der anderen Seite der Schlangen befanden.
Die zwei trafen aufeinander, stiegen tanzend empor, mehr wie Kobras als Klapperschlangen. Ihre dreieckigen Köpfe schossen aufeinander zu. Ich zuckte zusammen. Doch statt anzugreifen, schlangen sie sich umeinander, verharrten einen Moment lang in der Position, bevor sie sich wieder trennten.
Ich wusste nicht, wer wer war, bis die Sonnenstrahlen die Schlange, die mir am nächsten war, silbrig glänzend schimmern ließ. Im nächsten Moment wuchs sie, reckte sich, streckte sich der Sonne entgegen, und heraus brach ein Mann.
„Es betrifft dich“, sagte Sawyer.
27
S awyer ergriff meine Hand und zerrte sie zu seinem Penis.
„He!“ Ich zog die Hand zurück. „Sehe ich etwa so aus, als wollte ich dir unbedingt einen runterholen?“
Seine Augen loderten, so wütend hatte ich ihn schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. „Er will dir etwas sagen.“
„Wer ist er?“
„Eine Schlange.“
„Bloß eine Schlange, sonst nichts?“
„Nein.“
„Wie will er mir denn etwas sagen?“
„Deshalb musst du dich ja verwandeln. Die einzige Möglichkeit mit Tieren zu sprechen, ist selbst eins zu werden.“
„Ich will nicht mit ihm reden.“
Langsam wurde er ungeduldig. „Sei nicht so kindisch. Das gehört jetzt zu deinem Leben. Also akzeptiere es.“
Wieder packte er meine Hand, und diesmal wusste ich, egal was ich sagte oder wie sehr ich mich auch wehrte, er würde nicht nachgeben.
Die ganze Zeit über hatte ich die Hand zur Faust geballt, bereit zum Zuschlagen. Jetzt löste ich sie, denn wie viel Vergnügen es mir auch bereitet hätte, ihm einen Schlag zu versetzen, ich würde mich gedulden müssen.
Sawyer musterte mich von Kopf bis Fuß. „Ohne Kleider ist es einfacher.“
Allmählich verstand ich, warum er die meiste Zeit nur seinen Lendenschurz trug.
Seufzend zog ich mich nackt aus und warf ihm einen Blick zu. „Ist das die einzige Möglichkeit?“
Blöde Frage. Bei meiner ersten Verwandlung hatte ich ja auch den tätowierten Wolf berührt. Selbst Sawyer hatte sich berührt, um eine Schlange zu werden. Um mich in eine zu verwandeln, musste ich eine berühren, und da ich keine eigene hatte…
Er nickte kurz, und seinem entschlossenen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, wollte er von mir ebenso wenig angefasst werden. Wahrscheinlich packte ich deshalb etwas fester zu und quetschte ihn mehr als nötig.
Wie oft würde er mir noch zeigen wollen, dass er nur mit mir zusammen gewesen war, weil es notwendig gewesen war? Was spielte es überhaupt für eine Rolle? Es war ja nicht so, dass ich Sawyer mehr liebte als er mich. In meinem Leben hatte ich nur einen Mann geliebt, und dem konnte man ebenso wenig vertrauen wie diesem hier.
Ich gab mich ganz der Kälte hin, der Hitze, ließ mich von silbernem Licht durchfluten, spürte den Sog einer anderen Daseinsform, der sowohl von außen als auch aus mir selbst zu kommen schien.
Unter meinen Fingern wurde Sawyers Haut wärmer; ich fühlte seinen pochenden Puls im Einklang mit meinem. Ich streichelte ihn und hörte das warnende Zischeln seiner Schlange.
Gleißendes Licht blendete mich. Der Wind strich an mir vorbei, als ich von großer Höhe auf den Boden traf. Ich wollte mich abfangen, aber ich hatte weder Arme noch Beine. Stattdessen schlug ich mit dem Bauch zuerst auf, und mein Rücken bog sich in einer mir unbekannten Weise.
Ich sah die Welt aus einer ganz anderen Perspektive, mit neuen Augen. Ich konnte nicht mehr hören.
Hatten Schlangen Ohren? Eigentlich nicht.
Dafür nahm ich jetzt Schwingungen wahr, Bewegungen, Hitzewellen, die mich überfluteten. Ein kleines Warmblut war irgendwo dort. Mit dem Kopf schwenkte ich nach rechts. Unter dem Strauch saß zitternd eine Maus, die schwarzen Augen angstvoll geweitet, die Nase panisch zuckend, und mir gefiel es.
Ganz in der Nähe ragte eine wesentlich größere und ebenfalls warme Gestalt auf. Sawyer. Ein Mensch. Keine Beute. Nein. Der Einzige auf der Welt, der war wie ich.
Ich genoss das Gefühl von Macht. Mit nur einer kleinen schnellen Bewegung konnte ich den Tod bringen. Nicht aus Absicht oder Zorn. Ich war einfach… ich selbst. Es lag in meiner Natur, aufmerksam zu sein und abzuwarten, nachzuspüren und im richtigen Moment
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