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Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)

Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)

Titel: Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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zu entkommen. Selbst wenn ich gewollt hätte, wäre es mir kaum gelungen.
    Sein Kuss war grob, strafend – wen eigentlich, ihn oder mich? Ich wusste es nicht. War mir auch egal. Unsere Zähne schlugen klackend aneinander. Er zog an meiner Lippe, und ich schmeckte Blut. Mit der Zunge wusch er es weg.
    Ich öffnete mich ihm und genoss seine Gewalttätigkeit. Es stimulierte mein Verlangen. Als er mich küsste, sah ich Weltenläufe und Jahrhunderte vorbeiziehen, alles, was er war und was er getan hatte, jeden, den er kannte, und alles, was er wusste. Ich wollte dieses Wissen auflecken wie ein Tiger den Dschungelbach, wie ein Wolf den Bergsee.
    Er lockerte die Umarmung und starrte mir ins Gesicht. „Hast du etwas gesehen? Jemanden gehört?“
    „Nein.“ Ich bewegte mich unruhig hin und her. „Lass mich los.“
    Das tat er aber nicht, und ich überlegte schon, ob ich ihn treten sollte. Mit den Fingern fuhr ich ihm über die Schulter, dort, wo der Hai war, und eine Sekunde lang spürte ich das kalte Meerwasser um mich. Noch tiefer wollte ich in die Dunkelheit vorstoßen, ich wollte jagen und Blut schmecken.
    Ich riss die Hand weg. Doch er gab mich immer noch nicht frei.
    „Wenn ich mich verwandeln will, muss ich dann jedes Mal eine Tätowierung berühren?“
    Nicht dass ich mich in diesem Moment verwandeln wollte, aber früher oder später würde es vielleicht notwendig sein.
    „Entweder das, oder du musst dir selbst welche zulegen.“
    „Bist du dir sicher?“
    „Da du jetzt meine Kräfte hast und ich sie für die Verwandlung berühren muss, musst du es folglich auch.“
    Bei dem Gedanken, meine Haut so behandeln zu lassen wie seine, erschauderte ich. Aber allmählich begriff ich, dass meine Wünsche und Bedürfnisse nicht zählten, denn wenn ich nicht alles in meiner Macht Stehende tat, dann würde es die Welt meiner Wünsche und Bedürfnisse bald nicht mehr geben.
    Ätzend.
    Und so plötzlich, wie mich Sawyer geschnappt hatte, ließ er mich auch wieder los und kniete sich wieder hin. Ich spannte meine Muskeln an, denn ich rechnete halb und halb damit, dass er sein Gesicht an meinen Bauch oder in noch tiefere Regionen pressen würde. Allein die Vorstellung ließ mich schon feucht werden. Aber er griff nur nach einem Ende des Schaffells und begann es abermals aufzurollen.
    Ich kniete mich neben ihn und legte meine Hände auf seine. Er unterbrach sein Tun und starrte sie an. Meine Haut war heller, aber nur einen Ton. Aus unerfindlichen Gründen sahen unsere Hände aus, als gehörten sie zusammen. Die Hände eines Mannes und einer Frau, so wie es sein sollte, wie es bestimmt war.
    Von Anbeginn.

 
    28
    E inen Augenblick lang sah es so aus, als wollte er etwas sagen, doch er sagte nichts. Stattdessen zog er seine Hände weg, als er das Fell hochhob und damit in dem Hogan verschwand.
    Kurz darauf kehrte er vollständig angezogen und mit gepacktem Rucksack zurück, verschwand dann hinter den Pinien, ohne auch nur einmal in meine Richtung zu schauen. Was zum Teufel hatte ich ihm getan?
    Vermutlich hatte mein Versuch, ihm wie einem Menschen zu begegnen, ihn zu verstehen und Mitgefühl zu zeigen, aus dem Gleichgewicht gebracht. Ich bezweifelte, dass sich irgendjemand zuvor schon einmal die Mühe gemacht hatte.
    Der Abstieg war nicht weniger beschwerlich als der Aufstieg. Teilweise war das Gelände so steil, dass ich rutschte und auf Sawyer vor mir prallte, der gar keine Probleme damit zu haben schien. Er hielt nicht an, er half mir nicht, er sprach nicht mit mir.
    Bei Einbruch der Dunkelheit erreichten wir sein Domizil. Sawyer marschierte direkt zu dem Hogan und ließ sich nicht wieder blicken.
    Ich ging in das Haus und duschte so lange, bis das warme Wasser aufgebraucht war. In der Dämmerung stand ich im Hauseingang und sah, wie die Sterne nach und nach am Himmel erstrahlten. Von Weitem hörte ich das Heulen von Kojoten. Diesmal waren es wohl echte, aber ganz sicher war ich nicht. Dazu hätte ich sie berühren müssen.
    Mir war die ganze Zeit etwas im Kopf herumgegangen. Die Schlange hatte gesagt, ich müsste alles tun, um die zu werden, die ich sein sollte. Beim Sex mit Sawyer hatte ich seine Fähigkeiten, die Gestalt zu verändern, angenommen, aber bestimmt hatte er noch mehr zu bieten. Vielleicht musste ich sie mir einfach nehmen.
    Indem ich ihn nahm.
    Ich senkte den Blick von den Sternen zur Erde, und da stand er am Rande der Bäume splitternackt in der Dunkelheit. Ob er wohl als Wolf, Berglöwe oder Tiger durch

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