Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)
loszuschlagen.
Aber genauso gut wusste ich, dass es in mir noch einen anderen Teil gab. Ich war Elizabeth. Und die meiste Zeit eine Frau.
Ich fühlte mich zu etwas ganz anderem hingezogen, etwas, das sich bewegte, aber ohne Wärme war. Kaltblütler also. Die Klapperschlange, die mit mir reden wollte.
Wie sollte ich mit einer Schlange sprechen?
Mein Gefährte wand sich spiralförmig empor, gebannt verfolgte ich seine Bewegungen. Der dreieckige Kopf schnellte nach vorne, bis wir uns Auge in Auge einander gegenüber fanden.
Seherin.
In meinem Kopf tauchte dieses Wort auf, ohne dass ich es gedacht hatte. Ich wiegte meinen eigenen dreieckigen Kopf.
Hör zu und folge meinen Gedanken.
Hören? Ohne Ohren ist das etwas schwierig, aber im Großen und Ganzen konnte ich es doch. Es funktionierte durch eine Form von Telepathie. Vielleicht waren alle Tiere dazu imstande.
Telepathie?, flüsterte die Stimme. Was ist das?
An Gedanken teilhaben lassen.
Ssssstimmt. Ich bin gekommen, um dich an den Gedanken aller Kreaturen dieser Erde teilhaben zu lassen.
Aller?
Die Schlange machte erst eine Zickzackbewegung in die eine, dann in die andere Richtung. Alle, auf die es ankommt. Alle, die dem Pfad des Guten folgen.
Schlangen folgen dem Pfad des Guten? Gab es da nicht diese Sache mit dem Garten?
Nicht alle Schlangen sind auf der dunklen Seite. Sind etwa alle Frauen so dämlich wie Eva?
1:0.
Unser Rasseln erstarb.
Du musst diesen Krieg führen, Seherin. Nur du kannst die nahende Endzeit noch aufhalten.
Warum ich?
Warum ist der eine auserwählt und der andere nicht, wer weiß das schon? Du hast die Macht, nutze sie.
Und wenn ich nicht will?
Dann musst du mit dieser Entscheidung entweder leben oder daran zugrunde gehen. Nur wer in Wahrhaftigkeit zu sich steht, wer sich dem Kampf mit Haut und Haaren verschreibt, kann siegen.
Und wenn es mir nicht gelingt? Wenn ich scheitere?
Dann werden alle leiden. Nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere und alle Kreuzungen. Das Grauen, das dann folgt, ist schlimmer als alles, was du kennst, ja, was du dir nur vorstellen kannst. Tue alles in deiner Macht Stehende, um zu werden, wie es dir vorherbestimmt ist. Und dann gib alles, um diesen Kampf zu gewinnen. Du wirst Opfer bringen und Schmerzen erleiden. Und du wirst dich entscheiden müssen.
Entscheidungen treffen. Darin war ich noch nie gut.
Die Schlange senkte den Kopf. Mit wirbelnden Bewegungen entrollte sie sich wieder zu ihrer ganzen Länge und glitt rasch über den Boden, bis sie in dem Strauch verschwunden war, wo die Maus gesessen hatte.
Ein Kratzen, ein Scharren, dann ein jähes Quieken. Stille.
Die Versuchung, meinem Gefährten ins Gebüsch zu folgen, um vielleicht noch eine zweite Maus aufzuspüren, war groß. Aber da gab es ja noch den riesigen Warmblüter ganz in meiner Nähe.
Sawyer. Der auf mich wartete.
Ich stellte mir vor, ich zu sein, und schon geschah es.
Vielleicht nicht ganz so – hex, hex, und ich war ich. Sondern erst heiß, dann kalt, dann überall silbernes Licht. Ich stieg auf und war ich.
Sawyer saß im Schneidersitz am Feuer. Den Hasen hatte er vom Feuer genommen. Es roch himmlisch. Mein Magen krampfte sich so sehr zusammen, dass ich niesen musste. Vielleicht fröstelte ich auch nur, weil ich nackt war, oder es waren die Nachwirkungen meines erkalteten Blutes. Schnell zog ich mich an.
Ich gesellte mich zu Sawyer und wortlos reichte er mir einen Teller mit Fleisch. Ich war so ausgehungert, dass es mich nicht störte, ohne Besteck zu essen. Mit den Fingern schaufelte ich mir das Essen in den Mund, schluckte es fast unzerkaut hinunter. Noch nie hatte mir etwas so gut geschmeckt.
Als ich fertig war, wusch Sawyer den Teller im See und packte zusammen.
Ich wusste nicht so recht, was ich sagen sollte, also machte ich mit den einfachen Fragen weiter. „Was bringt es, sich in eine Schlange zu verwandeln? Ich meine, ein Wolf, ein Berglöwe oder ein Hai sind stark. Aber…“ Unbestimmt wedelte ich mit der Hand in Richtung seines Schritts.
„Hast du gespürt, wie dich die Hitzewellen der Beute überflutet haben?“, fragte er. „Wusstest du, auch ohne zu hören, wo alles ist?“
„Ja.“
„Klapperschlangen gehören zu den Grubenottern; unter den Nasenlöchern haben sie Vertiefungen, damit können sie Warmblütler erspüren. Selbst in vollkommener Dunkelheit finden wir unsere Beute. Wir können uns unbemerkt an Orte schlängeln, zu denen kein anderes Tier Zugang hat, und überleben, wo
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