Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Phoenix Chroniken: Blut (German Edition)

Die Phoenix Chroniken: Blut (German Edition)

Titel: Die Phoenix Chroniken: Blut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
Vom Netzwerk:
Sekunden, die wir brauchten, um ihm zu folgen, hatte der Dagda von irgendwoher einen schweren gusseisernen Kessel geholt und ihn über das Feuer gehängt. Das blubbernde Geräusch einer siedenden Flüssigkeit erfüllte die stille, feuchte Luft in der Höhle. Der Dagda winkte uns heran.
    Ich ging auf ihn zu, aber Jimmy hielt mich an der Schulter zurück. „Nicht.“
    „Ich glaube aber, ich muss.“ Er schüttelte den Kopf und warf einen finsteren Blick zum Dagda hinüber. Auch wenn ich viel lieber so stehen geblieben wäre, solange Jimmy seine Hand freiwillig auf meiner Schulter liegen ließ, löste ich mich doch von ihm. „Ich bin gleich zurück, und dann verschwinden wir zusammen von hier, okay?“
    „Sprich nicht mit mir, als wäre ich ein kleiner, verängstigter Junge, der gerade aus einem Albtraum aufgewacht ist.“
    „Wie soll ich denn dann mit dir sprechen?“
    „Wie immer.“
    „Ungehobelt, pampig und gemein?“
    „Dann würde ich mich jedenfalls nicht wie eine Kristallvase fühlen, bei der du ständig Angst hast, sie zu zerbrechen.“
    Ich betrachtete Jimmy einige Sekunden lang. Trotz seines von Natur aus olivfarbenen Teints war er blass, seine Lippen schmal und blutleer. Die Ringe unter seinen Augen hatten den Ton einer reifen Aubergine, und seine Hände zitterten leicht, sosehr er auch versuchte, es zu verstecken.
    Er war durchaus zerbrechlich. Und ich hatte die schreckliche Angst, dass er meinetwegen bereits einen Knacks abbekommen hatte, der nicht mehr zu kitten war. Aber es hätte jetzt keinen Sinn gehabt, ihm das zu sagen.
    „Du bleibst hier“, sagte ich stattdessen. „Ich gehe zu ihm, und wenn ich deine Meinung hören will, dann prügele ich sie aus dir heraus.“
    Ich war auf halbem Weg zum Kessel des Dagdas, als ich sein Lachen hörte. Es war beinahe, wenn auch nicht ganz, das Lachen, das ich schon von ihm kannte. Vielleicht würde sich Sanducci trotz allem wieder erholen. Aber dann hätte er es wahrscheinlich nicht mir zu verdanken.
    „Frag, was du wissen willst.“ Der Dagda deutete mit seinem bratwurstgroßen Finger auf den Kessel.
    „Ich … äh …“ Ich hatte noch nie zuvor einem Kochtopf eine Frage gestellt.
    Der Inhalt des Kessels – so wie er kochte, handelte es sich offenbar um eine Flüssigkeit – wurde mächtig aufgeheizt. Es blubberte, zischte und knackte. Einige der Blasen zerplatzten, und Tropfen einer teerartigen Substanz spritzten durch die Luft und auf den Boden.
    Der Dagda machte ein ungeduldiges Geräusch und stieß erneut mit der Hand gegen den Kessel.
    „Wo ist der Phönix?“, stieß ich hervor.
    So schnell sie zu kochen begonnen hatte, beruhigte sich die Flüssigkeit auch wieder. Die Oberfläche wurde glatt wie das Eis unter einem mondlosen Himmel.
    „Schau doch.“ Der Dagda schob mich mit seiner Schulter vorwärts, bis ich fast kopfüber in den Topf gefallen wäre.
    Vorsichtig spähte ich über den Rand, sah aber nur die Spiegelung meines Gesichts. „Es scheint nicht zu funktionieren.“
    Das Gesicht des Dagdas erschien neben meinem. „ Du bist der Phönix“, sagte er.
    „Ich heiße Phoenix, aber ich bin keiner.“ Jedenfalls noch nicht. „Ich meinte den Phönix . Den, der von den Toten erweckt wurde. Den, der den Schlüssel Salomos bei sich hat.“
    Noch bevor das letzte Wort meinen Mund verlassen hatte, verschwand das Bild von der Oberfläche, und ein anderes trat an seine Stelle. Ich erkannte es sofort: Es war der Friedhof, auf dem ich meine Mutter zum ersten Mal gesehen hatte. Alle Gräber waren aufgebrochen, und der Ort lag still und leer da: wie eine postapokalyptische Welt.
    „Das ist der Ort, da ist sie gewesen“, sagte ich. „Wo ist das?“
    „Warte“, flüsterte der Dagda.
    Das Bild wogte, verschwand aber nicht, sondern der Fokus weitete sich, als wäre die schwarze, glatte Flüssigkeit die Linse einer Kamera. Der Bildausschnitt vergrößerte sich und zeigte dann mehr und mehr von der Umgebung des Friedhofs. Auf der rechten Seite stand ein Schild.
    „‚Cairo‘“, las ich. „‚3150 Einwohner‘. Ernsthaft?“
    Ich dachte, Kairo wäre riesig. Und läge in Ägypten. Auch deshalb gaben mir das Gras und die Bäume im Vordergrund ebenso wie die Kleinstadtstraßen im Hintergrund Rätsel auf.
    „Es gibt mehr als ein einziges Cairo auf der Welt“, sagte Jimmy.
    Ich sah mich nach ihm um. Er war tatsächlich da stehen geblieben, wo ich es ihm gesagt hatte, was ich allerdings eher der Anwesenheit des Dagdas als Jimmys Gehorsam

Weitere Kostenlose Bücher