Die Phoenix Chroniken: Blut (German Edition)
einfach so auf und verschwindet wieder.“
„So ist er eben.“
Sanducci sah mich fest an, bis ich mich unter seinem Blick geradezu wand. Alles, was ich sagte, war zu laut oder zu schnell und nicht gerade glaubwürdig. Warum konnte ich nicht so gut lügen wie er?
„Findest du es nicht merkwürdig, dass Sawyer die Toten erwecken kann, und dass dann ganz plötzlich die Toten auferstehen?“, fragte Jimmy.
„Er kann keine Toten erwecken, nur Geister beschwören.“
„Das behauptet er.“
Ich öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Dann fragte ich: „Was?“
„Irgendjemand hat den Phönix erweckt.“
„Du glaubst, das war Sawyer?“
„Lizzy, ich glaube immer, dass es Sawyer war.“
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I ch glaube nicht, dass Sawyer so etwas tun würde“, sagte ich. „Selbst wenn er es könnte, was nicht der Fall ist.“
„Gehen wir doch nachsehen.“
„Wie denn?“
„Wenn wir sie finden, werden wir auch ihn finden.“
„Nein“, beharrte ich.
„Wetten?“ Er streckte seine Hand aus, doch dann wurde ihm klar, was er gerade tat, und er zog sie schnell wieder zurück.
Die beiden hatten sich schon immer wie rivalisierende Straßenköter aufgeführt, sich ständig mit angelegten Ohren und gebleckten Zähnen umkreist – und ich stand genau dazwischen. Wenn sie sich in die Quere kamen, lief es fast immer darauf hinaus, dass sie sich gegenseitig umbringen wollten. Es war furchtbar anstrengend.
Ich ging auf den Höhleneingang zu. In einer Hinsicht hatte Jimmy recht: Wir mussten hier rauskommen, und dazu mussten wir den Dagda finden.
Draußen wallte noch immer dieser unvorstellbar dichte Nebel.
„Dagda!“, rief ich.
„Ich bin hier.“
Der Stimme klang so nah, dass ich zusammenfuhr, aber ich konnte ihn nirgendwo sehen, sosehr ich es auch versuchte. Ich hatte das Gefühl, bei dem angestrengten Versuch, die Hand vor Augen zu sehen, blind zu werden.
„Wo denn?“
„Was willst du?“
Ich öffnete den Mund, um ihm zu sagen, dass ich sehen wollte, mit wem ich sprach, aber Jimmy flüsterte: „Lass uns einfach hier verschwinden.“
Da ich verstand, dass Jimmy den Feengott nicht noch einmal sehen wollte – das konnte ich ihm auch nicht verdenken – , schluckte ich die Worte, die mir auf der Zunge lagen, einfach herunter. „Wir müssen hier raus.“
„Dort, wo ihr hereingekommen seid, oder an einem anderen Ort?“
Ich sah zu Jimmy hinüber, aber ich konnte sein Gesicht nicht erkennen. „Ist das denn möglich?“
Das Lachen des Dagda glitt so kühl wie der Nebel über meine Haut. „Hier ist alles möglich.“
Jimmy schnaubte.
„Wohin sollen wir gehen?“, fragte ich.
„Hast du in deiner Vision oder was das war, irgendetwas gesehen“, fragte Jimmy, „einen Hinweis darauf, wohin der Phönix geflogen ist?“
Bisher hatte ich mich immer wieder in diese Vision begeben können, wenn ich die Augen schloss. Ich versuchte es auch jetzt, aber die Bilder waren mit der Zeit verblasst. Ich konnte noch immer den Friedhof sehen, den Himmel und den Phönix. Aber ich konnte mich nicht mehr in die Szene hineinversetzen, um die Eindrücke zu vertiefen.
Ich seufzte und öffnete die Augen. „Sie ist in die Sonne geflogen.“
„Sonnenaufgang, Osten.“
„Da wir aber nicht wissen, von wo aus im Osten, hilft uns das auch nicht weiter.“
Jimmy schnaubte ärgerlich. „Wir müssen herausfinden, wo es zerstörte Gräber gibt.“
„Und dann jeden Friedhof absuchen?“ In meiner Stimme schwang Verzweiflung mit.
Jimmy hatte mir einmal gesagt, dass die Apokalypse auf jeden Fall eintreten würde, ganz gleich, was ich dagegen unternahm. Damals fand ich, dass er übertrieb. Jetzt sah ich das etwas anders.
„Der Phönix hat den Schlüssel“, fuhr ich fort. „Ich glaube, uns bleibt nicht mehr viel Zeit.“
„Hast du eine bessere Idee?“
„Nein, eigentlich nicht. Wenn wir hier Internetzugang hätten, könnte uns der Dagda am ersten verwüsteten Friedhof rausschmeißen. Ich nehme mal an, dass du dich nicht mit Computern auskennst?“, rief ich.
„Da nimmst du richtig an.“ Die riesigen Umrisse des Dagdas traten aus dem Nebel hervor. Jimmy verspannte sich derart, dass ich schon befürchtete, er werde sich den Rücken verknacksen. „Aber ich habe etwas, das viel besser ist als ein Computer.“
„Besser?“, fragten Jimmy und ich gleichzeitig.
„Kommt mal mit.“ Der Dagda schlüpfte in die Höhle, und nachdem Jimmy und ich uns schulterzuckend angesehen hatten, folgten wir ihm.
In den wenigen
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