Die Phoenix Chroniken: Fluch (German Edition)
eine benutzte Windel finden. Ich würde zwar versuchen, mich da irgendwie herauszureden, aber ich rechnete nicht damit, dass sie es mir abkaufen mochten.
»Wie kommt ihr eigentlich auf die Idee, dass ich ein Baby habe?«, fragte ich schnell. Solange sie redeten, durchsuchten sie nämlich nicht das Zimmer. »Und warum wollt ihr überhaupt eins?«
»Ich tue nur, was mir aufgetragen wurde, Schätzchen. Ich stelle keine Fragen. Auf diese Weise hab ich auch so lange überlebt.«
Ich runzelte die Stirn. »Wie lange?«
Der Mann lachte wieder. Außer dem Umriss seines Gesichts und seiner Größe konnte ich nichts erkennen. Das Licht, das mir in die Augen schien, verhinderte, dass ich solche Einzelheiten wie die Haarfarbe oder die Größe der Nase erkennen konnte. Aber an diese Stimme und das Lachen würde ich mich für lange Zeit erinnern.
»Lasst uns gehen, Jungs.«
»Sollten wir nicht … «, begann einer der anderen, doch er wurde unterbrochen.
»Ich bin nur dafür bezahlt worden, das Baby zu holen, sonst nichts.«
Ich hob die Schulter – die, in der noch immer die Kugel steckte. »Du bist nicht dafür bezahlt worden, es zu holen, sondern es zu töten.«
»Man hat mir gesagt, du wärst clever«, sagte er, und dann war er verschwunden.
Sobald die Tür hinter ihm zugefallen war, rappelte ich mich auf und eilte zu Luther, der – zwar immer noch knurrend, aber doch – reglos wie eine Leiche auf dem Bett lag. Faith streckte sich, gähnte, steckte die Nase unter ihren Schwanz und schlief wieder ein.
»Warum hast du sie nicht kommen sehen?«, fragte ich. »Hat Ruthie dich nicht gewarnt?«
Meine Hände und Knöchel waren mit goldenen Handschellen gefesselt. Aber das Wichtigste zuerst. Ich musste Luther befreien.
Mit Händen und Zähnen bearbeitete ich die Stricke – Gott sei Dank waren es nur Stricke und keine Ketten. Allerdings schmeckten sie wie Matschsuppe mit Pfeffer. Das Blut aus meiner gebrochenen Nase trocknete auf meiner Haut und bröckelte ab. Wie rostroter Staub fiel es auf die weißen Laken. Sobald Luther befreit war, löste er die goldene Kette von meinem Hals.
»Du musst sie verfolgen«, sagte ich. »Ich werde … «, ich hob die Hände in den Handschellen, »erst mal einen Schlosser rufen.«
Luther schnappte sich sein Messer und versuchte, die Schlösser aufzukriegen. »Luther! Geh!«
Er schüttelte den Kopf, wobei seine Locken hin und her flogen. Da er noch immer keine meiner Fragen beantwortet hatte, stellte ich eine davon erneut. »Was hat Ruthie gesagt? Was sind das für … ?«
»Sie hat überhaupt nichts gesagt.«
Mein Herz raste panisch. »Was haben sie mit dir gemacht?« Er hatte sich ja nicht mehr in einen Löwen verwandeln können, aber womöglich … »Haben sie dir all deine Kräfte genommen?«
»Nein. Sie haben die Stricke nur mit Kava-Kava eingerieben. So konnte ich mich nicht verwandeln.«
»Was ist Kava-Kava?«
»Eine Pflanze aus der Südsee. Wird meistens zur Entspannung eingesetzt. Bei Gestaltwandlern macht es die Muskeln aber zu schlaff für eine Verwandlung.«
Warum wusste er solche Dinge und ich nicht? Das machte mich rasend.
»Wenn du immer noch all deine Kräfte hast, warum weißt du dann nicht, was das für Typen waren?«
»Oh, ich weiß, was sie waren«, murmelte Luther. Klick. Die Handschellen fielen zu Boden, und Luther sah mich aus seinen flammenden bernsteinfarbenen Augen an. »Es waren Menschen, Liz. Keine Nephilim.«
8
M enschen?« Luther nickte mit zusammengepressten Lippen, während er sich am Schloss meiner Fußschellen zu schaffen machte. »Bist du sicher?«
»Hast du irgendwelche Vibrationen gespürt? Ich nämlich nicht.«
Wenn sich etwas Böses in der Nähe befand, lag üblicherweise ein Summen in der Luft. Nicht sehr aufdringlich, nur ein Vibrieren, das man spüren und hören konnte wie einen Schwarm von tausend Bienen oder einen sehr großen Rasenmäher in nächster Nähe. Aber ich hatte es nicht gespürt, und Luther ebenso wenig.
Mit einem gedämpften Klirren fielen meine Fußschellen auf den Teppich. »Nicht schlecht«, sagte ich. Der Junge hatte offenbar Erfahrung.
Ich eilte zur Tür und starrte nach draußen. Der Strom war immer noch weg, aber das Silberlicht des Mondes spiegelte sich auf der Betonfläche des Parkplatzes und auf den Motorhauben der zahlreichen Autos – gerade genug Licht, um zu erkennen, dass niemand da war.
»Du blutest, Liz.« Luther stand hinter mir und sah mir über die Schulter. Seine Augen
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