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Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition)

Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition)

Titel: Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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langer Zeit hatte Saywers Mutter, die Frau aus Rauch, ihn mit einem Fluch belegt. Er konnte das Land der Diné nicht als Mensch verlassen, was es ihm verdammt schwer machte, außerhalb davon etwas anderes zu tun als zu sabbern.
    Der Wolf war sein Totemtier, aber er vermochte sich in praktisch jedes Tier zu verwandeln, solange er einen Mantel mit dem Bildnis des Tieres trug. Für Saywer war seine Haut dieser Mantel. Auf seinen Körper waren alle Tiere tätowiert, in die er sich verwandeln wollte.
    Er spazierte auf meinen Haufen mit Pfeilen zu, schnüffelte, nieste und rollte die Augen in meine Richtung. Dann setzte er sich und wartete.
    Wieder hatte ich den Mund erst geöffnet, um ihn mit Fragen zu bombardieren, schloss ihn dann aber wieder. Trotz seiner vielen Fähigkeiten war Saywer kein sprechender Wolf. Bislang war mir noch keiner untergekommen – das war einer der Nachteile beim Gestaltwandeln, zusammen mit den fehlenden Daumen. Ich ging zum Wagen.
    In meiner Tasche bewahrte ich einen seidenen Umhang auf, der in allen Farben der Nacht schimmerte: Blau, Lila und Schwarz mit glitzerndem Silber. Ein Geschenk von Saywer oder mein ureigener Fluch – bislang hatte ich es noch nicht ausprobiert. Offenbar war es jetzt aber an der Zeit.
    Das Ding lag zusammengeknüllt im hintersten Winkel meiner Tasche, unter meinen Klamotten, der Pistole und dem Waschzeug. Ich hielt den Umhang hoch, der kostbare Stoff ergoss sich auf den Boden und gab den Blick auf einen schillernden Wolf frei – da war er also, eben noch verschwunden, jetzt ganz da.
    Saywer wartete noch immer geduldig, keuchte ein wenig, während er mich anstarrte.
    „Dreh dich um“, befahl ich ihm.
    Wieder schnaubte er. Sein Repertoire an Kommentaren war ein klein wenig beschränkt. Dennoch konnte ich seine Gedanken förmlich hören. Nichts, was ich nicht schon mal gesehen, betastet und geleckt habe.
    Und genau so bin ich überhaupt erst in diese missliche Lage geraten. Sex mit Saywer hatte mir die Fähigkeit verliehen, ebenfalls meine Gestalt zu wandeln.
    Saywer musste nur mit seinen geschickten Fingern über eine seiner Tätowierungen streichen, und schon verwandelte er sich in das entsprechende Tier. Da ich die Kraft von ihm verliehen bekommen hatte, gelang es bei mir genauso. Tätowierung anfassen, Tier werden. Etwas komplizierter war die Sache schon, aber nicht viel.
    Doch da Saywers Tätowierungen nur auf seiner menschlichen Haut erschienen, blieb mir dieser Weg versperrt. Zum Glück – ich umklammerte den seidenen Umhang – gab es aber noch einen anderen Weg.
    Ich sah nach Westen. Keine Zeit mehr für falsche Scham, mir blieb höchstens noch eine halbe Stunde Tageslicht. Dringend musste ich mit Saywer reden und dann die Invasion der Lukaner aufhalten.
    Schnell legte ich Kleidung und Schmuck ab – zum Sprengen hatte ich nicht genug dabei –, dann warf ich mir die Robe um. Sobald sich das Material auf meine Haut legte, begann die Verwandlung.
    Ein Lichtblitz zwang mich, die Augen zu schließen. Meine Haut fühlte sich erst kalt, dann warm an, und ich fiel. Als ich auf den Boden schlug, waren meine Hände bereits Pfoten.
    In dieser Gestalt vermochte ich wie ein Mensch zu denken. Vernünftig urteilen, Pläne schmieden und töten konnte ich auch.
    Gestaltwandler sind stärker, schneller und besser als ihre tierischen Pendants. Und in vielerlei Hinsicht waren wir auch stärker, schneller und besser als die Menschen.
    Zum Beispiel konnte ich als Wolf im feuchten Dunkel des Waldes viel weiter sehen als noch Sekunden zuvor. Ich war in der Lage, alles zu riechen und alles zu hören. In der Ferne schossen die Autos über den Highway. Unter dem Baum dort hatte ein Reh geschlafen.
    Als ich den Kopf schüttelte, spürte ich den Luftzug im Fell, am liebsten wollte ich jetzt losrennen, bis ich das Reh gefunden und mühelos erlegt hatte. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Seit gestern hatte ich nichts mehr gegessen.
    Phoenix.
    Das Wort ertönte leise in meinem Kopf, es war Saywers Stimme – so tief, so sinnlich, aber dennoch hinterhältig, sodass ich erzitterte.
    Schon immer hatte Saywer mich Phoenix genannt, ich konnte mich nicht erinnern, dass er mich jemals Liz oder Elizabeth genannt hatte. Auf jeden Fall hatte er nie Baby zu mir gesagt.
    Bei dem Gedanken an Jimmy durchfuhr es mich schmerzlich, doch sofort hellte sich meine Miene wieder auf. Wenn Saywer hier war, half er also nicht gerade Jimmy beim Sterben.
    Er glitt eng an meinem Körper vorbei, rieb sich mit

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