Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition)
diesen Fluch aufzuheben, ist, die zu töten, die ihn verflucht hat.“
„Steht sowieso auf meiner Liste. Gleich unter Treib die Schlampe auf .“
Saywer nieste. Enttäuscht sah mich Carla an, und ich murmelte: „Tschuldigung.“
„Ich glaube, sie versucht gerade herauszufinden, wie man die Tore von Tartarus öffnet, oder sie weiß es schon und trifft bereits Vorkehrungen.“
Ich sah Saywer an. Er blinzelte, ich blinzelte zurück.
„Moment mal“, sagte ich. „Tartarus wird in der Zeit des großen Leidens geöffnet. Dem Chaos nämlich, das auf den Jüngsten Tag folgt.“
„Ja.“
„Aber ich habe den Jüngsten Tag vereitelt, indem ich den Strega getötet habe.“
Carlas stechend blaue Augen bohrten sich in meine. „Hast du den Eindruck, das Chaos wäre vorbei?“
Nun, das war es zumindest. Klar, die Seher, mit denen ich in Kontakt stand, hatten alle Hände voll zu tun, aber schließlich waren wir mit Soldaten nur knapp und mit Dämonen reichlich bestückt.
„Du hast es nicht gewusst?“, fragte Carla.
„Was nicht gewusst?“, stieß ich unter zusammengebissenen Zähnen mühsam hervor.
„Der Strega war bloß ein Lakai, nicht der Anführer der Dunkelheit. Der Anführer der Dunkelheit ist …“
Ich fluchte. „Die Frau aus Rauch.“
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A ber wenn sie schon die Anführerin ist“, sagte ich, „dann braucht sie mich doch nicht zu töten, um es zu werden.“
„Das ist richtig.“
„Warum ist sie dann so besessen von diesem Gedanken?“
„Frag ihn.“
Carla neigte den Kopf in Richtung Saywer. Der zog mit einem lautlosen Knurren die Lefzen zurück.
„Ich glaube nicht, dass er es mir sagen wird.“ Auch nicht, wenn er der Sprache mächtig wäre.
„Die Naye’i ist ein böser Geist“, sagte Carla. „Außer der Lust am Töten braucht sie keinen Grund.“
Leider klang das sehr plausibel.
„Und im Kampf ist es üblich, den gegnerischen Anführer auszuschalten. Ohne Führung zersetzen sich die Truppen, einige Soldaten laufen über, andere desertieren.“
„Aber nicht meine.“ Meine Stimme klang wesentlich optimistischer, als mir zumute war.
„Das wird sich noch zeigen“, murmelte Carla.
„Wie konnte mir das entgehen? Schließlich habe ich wochenlang in der Höhle des Stregas gelebt.“ Wenn man ein Dasein als Sexsklavin denn überhaupt als Leben bezeichnen konnte. „Nie habe ich die Frau aus Rauch auch nur andeutungsweise gesehen.“ Oder von ihr flüstern gehört. Dieses verdammte Amulett stresste doch weitaus mehr, als ich je vermutet hätte.
„Sie war gar nicht da“, sagte Carla.
„Nie?“
„Brauchte sie gar nicht.“ Mit einer ausladenden Handbewegung beschrieb sie von der linken Schulter ausgehend einen Halbmond, als zeichne sie einen Regenbogen in die Luft. Knapp über unseren Köpfen funkelte ein elektromagnetisches Feld. „Sieh hin.“
Knisternd erfüllte die statische Ladung den Raum. Saywer bellte – und die weißen, schwarzen und silbernen Teilchen lösten sich auf.
Mit seiner olivfarbenen Haut, die sich fest um die feinen Wangenknochen spannte, wirkte der Strega, als sei er in den Dreißigern, doch seine Augen aus purem Onyx waren so alt wie Methusalem. Er strich sich das schulterlange, ebenholzfarbene Haar mit der Hand zurück. Mit einer Hand, die eigentlich immer blutverschmiert sein müsste, stattdessen aber aufgrund ihrer langen Finger und der grazilen Eleganz ins Auge fiel.
Für die Inneneinrichtung hatte ihm anscheinend McPascha zur Seite gestanden. Hauchdünne Vorhänge umsäumten ein niedriges, rundes Bett; eine gewaltige Fontäne ergoss sich in ein steinernes Becken, das wohl aus einem römischen Badehaus entwendet worden war – damals, als es noch Badehäuser gegeben hatte. An den Wänden hingen Handschellen und Fesseln. Beleuchtet wurde der Raum einzig von mehreren Kandelabern, auf denen riesige Kerzen loderten.
Da der Strega nicht bloß tot, sondern seine Höhle auch nur noch Röstbrot war, war es offenbar die Vergangenheit, die wir sahen.
Der Strega stellte eine Schale auf das Tischende. In der glänzenden, rötlich braunen Oberfläche spiegelte sich der flackernde Schein der Kerzen. Eine Schale Blut erkannte ich immer auf Anhieb.
Während er auf Latein sang, tauchte er einen Finger in das Blut, dann zeichnete er damit die Konturen einer gerahmten Fotografie nach, das war die Frau aus Rauch – das Foto, das ich gestohlen und an den Müllschlucker verfüttert hatte.
„Ich wollte dich immer schon mal nach dem Bild fragen“, murmelte
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