Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition)
meinen Duffelbag dem Wesen an den Kopf, dann rollte ich auf dem Boden in Richtung Tresor. In der Highschool war ich Landesmeisterin im Turnen gewesen, ich hätte mir nie träumen lassen, dass mir diese Fertigkeiten mal zugute kommen würden.
Wahrscheinlich würde ich den Safe nicht rechtzeitig aufbekommen, um einen Schuss abzufeuern, auch wusste ich nicht, ob die Silberkugeln, mit denen ich meine Glock jetzt gewohnheitsmäßig bestückte, funktionieren würden, aber irgendetwas musste ich schließlich unternehmen.
Der Duffelbag traf den Eindringling an der Brust, und ich vernahm ein leises „Uff“ und dann ein „He!“, gerade als meine Finger den Zahlenblock berührten. Ich ließ die Hand wieder sinken; die Stimme kam mir bekannt vor, ich hätte auch schon, bevor die Lichter wie von selbst angingen – nämlich anhand der winzigen Gestalt –, wissen sollen, wer hier war.
Winzig und blond, die Frau im Türrahmen sah wie ein Kobold mit einem Country- und Westernfimmel aus. Ihre engen Jeans, das lederne Fransentop, die Cowboystiefel und der weiße Cowboyhut wirkten leicht deplatziert in einer Gegend, wo Leute Käse auf dem Kopf trugen.
„Was, zum Teufel, willst du denn hier?“ Ich stellte mich auf die Füße.
Sie riss die Augenbrauen hoch und verzog ihren perfekt geschwungenen Mund.
Am liebsten hätte ich ihr einen ordentlichen Schlag versetzt. So ging es mir jedes Mal bei ihrem Anblick, doch bislang hatte ich mich noch beherrschen können. Summer Bartholomew war die einzige meiner Dämonenjäger, die noch am Leben und verfügbar war. Außerdem war sie eine Fee.
Ohne Scheiß.
Um das übernatürliche Böse zu bekämpfen, bedurfte es mehr als nur Durchschnittsmenschen, also waren die meisten Dämonenjäger auch Kreuzungen – Nachkommen der Nephilim und der Menschen. Der vermehrte menschliche Zufluss hat den Dämonenanteil mit jeder Generation weiter abgeschwächt, sodass die Kreuzungen entscheiden konnten, für welche Seite sie kämpfen wollten.
Außer den Kreuzungen hatte es noch Engel gegeben, die der Versuchung zwar noch nicht erlegen waren, sich aber leider auf der falschen Seite befanden, als Gott den gefallenen Engeln das Himmelstor vor der Nase zugeknallt hatte. Weder gut genug für den Himmel noch sündig genug für die Hölle, wurden sie schließlich Feen.
„Es gibt da ein Problem“, begann Summer.
„Ich weiß. Wollte mich gerade nach New Mexico aufmachen.“
„Er ist weg.“
„Weg? Das ist unmöglich.“
„Nein“, sagte Summer. „Ist es nicht.“
„Seit wann?“
Sie zuckte mit den Achseln. „Ich hatte ihn schon seit Wochen nicht mehr gesehen. Dann bin ich mal vorbeigegangen und …“ Sie zeigte ihre leeren Hände vor.
„Bist du nicht eigentlich seine Hüterin?“
„Jedes Jahr verschwindet er, aber er kommt immer wieder.“
Urplötzlich fiel es mir wieder ein: Einmal im Jahr ging Saywer auf die Jagd – nach seiner Mutter.
Ausgerechnet bei mir war Mami aufgetaucht, die Sache wurde immer interessanter.
„Wenn er jedes Jahr verschwindet, warum reist du dann quer durchs Land, um mir das mitzuteilen?“
„Ich bin nicht wegen Saywer hier“, sagte sie. „Ich komme wegen Jimmy.“
Mit aller Macht entspannte ich meine Hände wieder, die sich bei diesen Worten unwillkürlich zu Fäusten geballt hatten. Wie albern von mir, immer noch so wütend und eifersüchtig zu sein, dass er sich für sie entschieden und mich verlassen hatte. Achtzehn waren wir damals. Eins-A-Vollidioten, alle beide. Aber besonders Jimmy, denn er musste doch gewusst haben, dass ich sie bei der nächsten Berührung sehen würde.
Ich bin mit psychometrischen Fähigkeiten auf die Welt gekommen. Kurzum, wenn ich Leute berühre, dann kann ich Dinge sehen. Und von Jimmy und Summer hatte ich weitaus mehr gesehen, als mir lieb war.
Man stelle sich vor: die erste Liebe, das erste Mal, alles in einem. Ein einsames, verlassenes Straßenkind, das ein Zuhause, nämlich ihn gefunden hatte. Und daran glaubte, dass er sie liebte und sie für immer zusammenblieben, um ihn dann in den Armen einer anderen zu sehen . Ich habe es nicht gut aufgenommen – in den letzten sieben Jahren.
„Was ist denn mit Jimmy?“, fragte ich.
Der Klang meiner Stimme musste Summer hinsichtlich meines Gemütszustandes wohl einen Wink gegeben haben, denn sie wich vor mir zurück.
„Wovor hast du denn Angst?“ Ich rückte näher. „Du bist doch eine Fee und hast auch Kräfte.“
„Du weißt verdammt genau, dass ich sie nicht gegen dich
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