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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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Zeit den hohen Kohlendioxyd-Anteil in der Venus-Atmosphäre re-duzieren, so daß allmählich die Temperatur sank, eines Tages unter hundert Grad, dann würde sintflut-artiger Regen einsetzen wie einst auf der Erde…
    Den Blaualgen war er auch so begegnet. Als er sich durch den »Blauen Fleck« wagte, das südliche Kattegat, das noch immer von einem meterdicken, alles übrige Leben erstickenden Teppich aus Blaualgen bedeckt wurde, obwohl man bereits vor zweihundert Jahren die Überdüngung der Felder, dann sogar jede Landwirtschaft rund um das Kattegat ein-gestellt hatte. Er war mit wachsender Beklemmung, schließlich sogar von Todesängsten gepeinigt, unter den tief herabhängenden Algenkolonien hinwegge-strampelt und hatte jeden Gedanken an eine Ostsee-
    überquerung fallenlassen.
    Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, dem Tod ent-ronnen zu sein, hatte er damals in sein Tagebuch geschrieben, das Gefühl, ein zweites Mal geboren worden zu sein jetzt fühle ich mich den Millionen Ver-folgten und noch einmal Davongekommenen in unserer Geschichte näher.
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    Vor einem halben Jahr war die erste Expedition der Algen-Transporter zur Venus aufgebrochen. Sie waren so taktvoll gewesen, ihn nicht zu der Abschiedsfeier einzuladen, nur Bachirow hatte ihn angerufen; sie wußten beide, es war ihr letztes Gespräch, doch sie redeten nur über die Alphavariante und den Mequonenbeschleuniger, als würden sie sich nächste Woche wieder im Labor begegnen, dann schwiegen sie eine Minute lang, sahen sich stumm an, Bachirow wandte den Blick als erster ab, nickte nur, seufzte; wie auf Kommando schalteten sie beide gleichzeitig ab.
    Er hatte sich längst nach Svanvall zurückgezogen, verkrochen wie ein weidwundes Tier in seine Höhle gab es einen besseren Ort, gegen die Depressionen anzukämpfen, als Svanvall?
    Der Hof war seit dem 17. Jahrhundert im Besitz der Familie, war natürlich längst kein Bauernhof mehr, nur noch Sommerdomizil. Obwohl er hier völlig mit sich allein war oder gerade deshalb? –, schaffte er es, das zerstörerische Selbstmitleid zu besiegen, die Bitterkeit, konnte sich durchringen, die unbarmherzige Klarheit seiner Situation anzuerkennen, ohne länger zu weinen, sich zu betrinken die Musik der Alten, die Geborgenheit von Svanvall, die langen Märsche über die Wiesen und den Strand hatten ihm geholfen. Und, so widersprüchlich das war, die Truhen, die Zeugnisse erfüllten Lebens, wie er es nie 104
    erreichen würde…
    Auch das eine Henderson-Tradition: Zwischen
    acht und sechzehn erlernten die Jungen auf Svanvall handwerkliche Fähigkeiten, wie sie vor Jahrhunderten üblich gewesen waren; schreinern, töpfern, satt-lern, schmieden und, natürlich, die Kunst der See-mannsknoten; zum sechzehnten Geburtstag baute jeder Henderson mit eigener Hand eine hölzerne Truhe mit selbstgeschmiedeten eisernen Beschlägen.
    Die Truhen standen in langer Reihe auf der einstigen Tenne. Es war ein feierlicher Tag, alle kamen nach Svanvall, wenn wieder ein Henderson seine Truhe aufstellte.
    Voller Herzklopfen. Kristian erinnerte sich an diesen Tag, als sei es gestern gewesen: der weite Fach-werkraum, die altersschwarzen Deckenbalken, die weiß gescheuerten Dielenbretter, die übermächtigen Klänge des Chorais. Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen… Natürlich glaubte niemand mehr an einen Gott, doch die Musik des alten Bach ergriff noch immer, selbst die Worte von Luther; den dritten Vers kannte Kristian auswendig, er sang ihn in Gedanken mit, als er mit der Truhe auf den Armen die lange Reihe entlangschritt: Und wenn die Welt voll Teufel wär / und wollt uns gar verschlingen / so fürchten wir uns nicht so sehr / es soll uns doch gelingen… Mutter hatte laut geschluchzt, auch Vater und Ole Ingar standen Tränen in den Au-105
    gen. Bis tief in die Nacht saßen sie dann am offenen Feuer, tranken Punsch und erinnerten sich an die Geschichten der Ole Henriks, holten mal dieses, mal jenes aus einer der Truhen sie waren voll mit Tagebüchern, Karten, Bildern, Fotos, Videos, Urkunden, Auszeichnungen, Andenken… Zeugnisse eines Lebens; auf dem Deckel jeder Truhe standen einge-brannt der Name und die Lebensdaten seines Besitzers wer würde sein Todesdatum einbrennen, Silke?
    Concerto B-Dur, La Caccia. Der sanfte, schwebende Gesang der Violinen. Er drehte sich auf die Seite, zog die Beine an, umklammerte die Knie mit den Armen.
    Er hatte sich von Silke verabschiedet, als unternehme er nur eine seiner üblichen Touren,

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