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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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die Nebel in seinem Hirn sich verzogen.
    Er hatte sechsunddreißig Stunden geschlafen! Sogar die Sirene überhört, das rote Licht flammte im-109
    mer noch auf, er schaltete den Alarm aus. Ruhe, befahl er sich. Ein flüchtiger Blick über die Armaturen: das Boot war nicht leck geschlagen.
    Also hatte er Zeit, in Ruhe zu sich zu kommen. Er legte sich auf den Rücken und begann tief durchzu-atmen. Hecheln, Luftanhalten, pressen, schreien, atmen…
    Dann bereitete er sich einen Mokka. Das Boot schlingerte nicht, bewegte sich nicht, und irgend etwas schabte unter dem Kiel. War er aufgelaufen, ge-strandet? Wo denn? Vor den Fenstern war nur Wasser zu sehen. Er griff nach den Seekarten, verglich die Position. Er hatte das Schietmans-Riff erreicht.
    Nach dem Frühstück fühlte er sich stark genug, in den Taucheranzug zu steigen. Er glitt aus der Deck-luke. Das Wasser, das spürte er durch den Anzug hindurch, war ziemlich warm.
    Und unwahrscheinlich klar. Er konnte weit blikken. Die schartigen, löchrigen Felsen backbord voraus mußten mindestens fünfzig Meter entfernt sein.
    Eindeutig Korallenriffe. Auch hinter dem Boot. Das Heck steckte noch in einer Wand, die sich bis dicht unter die Wasseroberfläche erhob, eine zerfranste, zerfressene Wand mit einem großen, schartigen Loch, und in dieses Loch hatte die Strömung das Boot gezogen und dabei die Deckaufbauten verbo-gen, zertrümmert, abgerissen. Er tauchte nach unten.
    Das Boot lag mit einem Teil seines Kiels auf, das 110
    Wasser schob es Millimeter für Millimeter weiter.
    Alles in allem keine bedrohliche Havarie, kein Riß in der Außenhaut, nur ein paar Schrammen am Bug, wo das Boot gegen das Riff geprallt sein mußte, Radar und Sonar waren beschädigt, aber nicht schwer, das konnte er sicher reparieren, die Antennen jedoch waren völlig hinüber. Nun, er brauchte sie nicht. Er sah schon seit Wochen keine Nachrichten mehr, er war nicht länger an den Neuigkeiten dieser Welt interessiert. Auch nicht an Shows oder Videofilmen, er nahm an keiner Abstimmung mehr teil und hatte nicht die Absicht, mit irgend jemandem in Verbindung zu treten, und Musik befand sich reichlich an Bord, mehr, als er noch hören konnte.
    Er schwamm unter den Kiel, stemmte sich gegen den Felsen, sorgsam bedacht, daß sein Anzug nicht von dem spitzen, schartigen Gestein aufgerissen wurde, wuchtete das Boot vorsichtig über das Riff, dann stieg er schnell wieder ein. Er wartete ungeduldig, daß die Schleuse ihn passieren ließ, er hatte Angst, die Strömung könnte ihn erneut auflaufen lassen, aber er konnte das Boot noch rechtzeitig heraus-steuern und in ruhigem, fast stehendem Wasser ankern. Er tauchte auf.
    Ein guter Platz, um auszuruhen. Praktisch eine Lagune, wenn das Atoll auch völlig unter Wasser lag. Der helle, fast kreisförmige Schaumstreifen zeigte an, daß das Riff die Dünung des Ozeans brach. Ein 111
    unsichtbarer Hafen mitten im Pazifik.
    Hier konnte er sogar mittlere Windstärken überstehen, ohne gleich in die Tiefe flüchten zu müssen.
    Jetzt war kaum Bewegung in der Luft. Gerade genug, um die Wärme angenehm zu machen. Er bereitete sich ein Lager auf Deck und legte sich in die Sonne.
    Ein Paradies. Himmlische Stille. Nur das Rauschen der Dünung und ab und zu das Klatschen springender Tümmler oder Delphine draußen vor der Lagune. Kein Schiff, so weit er blikken konnte, kein Flugzeug am Himmel, nur hin und wieder ein Kon-densstreifen hoch oben im Dunkelblau. Es war, als sei er allein auf dieser Welt. Der einzige Mensch auf einem unbewohnten Planeten. Kristian Robinson.
    Kaum ein Buch hatte ihn später wieder so in seinen Bann gezogen. Die Träume der Kindheit. Die Welt der barmherzigen Unwissenheit, der grenzenlosen Phantasie, in der alles möglich scheint. Was weiß ein Achtjähriger schon von den Qualen der Einsamkeit.
    Die Qualen hatte er hinter sich. Jetzt war er glücklich, daß er allein war. Er hatte die Route sorgsam gewählt, um niemandem zu begegnen, sich nach dem Start in Hongkong südlich gehalten, an den Philippi-nen vorbei, Luzon, Samar, dann durch die Karolinen hindurch, die Marshallinseln, hatte nur vor Rongelab überlegt, ob er kurz auftauchen und seinen Cognac-Vorrat ergänzen sollte, ein Kurs weitab von allen Flugrouten und Schiffahrtslinien; die Routen der Un-112
    terwasserschlepper mit ihren langen Preßwursttrans-portern störten ihn nicht, sie lagen in Tiefen, die er nicht berührte.
    Da die Nächte warm waren, blieb er auch nachts an Deck, hörte Musik

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