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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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hatte ihr vorgemacht, es ginge ihm besser, er fühle sich schon stark genug, das Boot wieder zu besteigen bald wür-de er zu ihr ziehen… Er hatte Silke in Connecticut besucht, weil sie nicht nach Svanvall kommen wollte. Silke wäre auf der Stelle gekommen, wenn er ihr die brutale Wahrheit gesagt hätte, Schluß gemacht mit der Lüge von dem einen Jahr Rekonvaleszenz, aber er hatte Angst vor ihren Reaktionen, dem unbe-rechenbaren Ausbruch ihrer Gefühle…
    Es war gut gewesen, daß er allein Abschied nahm was bedeutete Silke schon Svanvall! –, ein letztes Mal den Strand abgewandert, allein mit dem Meer und den Möwen. Ohne Selbstmitleid. Traurig, ja, 106
    aber nicht sentimental. Ein Abend wie der Abschied von Mutter vor ihrem Aufbruch zum Barnardstern.
    Von Vater hatte er sich bereits vor Tagen verabschiedet, Vater mußte früher zum Kosmodrom. Er hatte Kristian das alte Taschenmesser übergeben, das seit Jahrhunderten vom Vater zum Sohn wechselte und vergeblich versucht, seine Rührung mit ein paar witzigen Worten zu überspielen Mutter hatte nicht geweint.
    Sie trug das lange weiße Seidenkleid, obwohl es bereits zu kühl für ein Mittsommernachtskleid war, es blähte sich in der Abendbrise wie ein Segel auf.
    Schweigend gingen sie Hand in Hand den Strand hinunter, barfuß, die Füße wurden immer wieder von leckenden Meereszungen überspült, noch einmal suchten sie flache Steinchen und ließen sie über das Wasser springen; bevor sie zum Haus zurückkehrten, blieb Mutter stehen, legte ihm die Hände auf die Schultern und sagte: Das ist das Größte und das Schwerste alles geben und alles verlieren, um sich ganz zu gewinnen. Er hatte den Spruch in sein Tagebuch geschrieben und nie vergessen; und wie oft hatte er ihn schon für sich wiederholt, um seinen ver-borgenen Sinn zu erfassen. Er hatte niemanden, dem er einen Spruch hinterlassen konnte. Finito definito, wie Großmutter Kerstin immer gesagt hatte. Sein Samendepot war gelöscht. Nicht erst jetzt. Das hatte er verfügt, als er erfuhr, daß der Unfall bereits vor 107
    der Deponierung stattgefunden hatte.
    Wie glücklich er gewesen war, als er den Meteoriten erblickte, eine helleuchtende Spur, die sich quer über den Nachthimmel zog, er hatte gejubelt, mit den Armen gewinkt, als könne jemand ihn sehen, hatte mit staunenden Augen zugesehen, wie der glühende Punkt wuchs, sich fast über seinem Kopf zu einer Feuerkugel aufblähte, die nur wenige Kilometer entfernt in das Antarktische Meer stürzte und eine laut zischende Wasserfontäne in die Luft jagte; welch ein Glück, hatte er gedacht, daß er bereits aufgetaucht war, wie oft hat schon jemand das Glück, solch eine Sternschnuppe sehen zu dürfen? In sein Tagebuch hatte er einen zweiten Spruch eingetragen: Sterntaler für ein Glückskind, der Himmel beschenkt mich. Mit einer tödlichen Strahlendosis.
    Die Musik erlosch. Er hörte, wie der Ozean mit leisem Klatschen gegen den Schiffsrumpf schlug, setzte sich auf und sah zu den Armaturen. Das Boot war fast an die Oberfläche getrieben, lag quer zur Strömung. Ächzend wälzte er sich auf den Fahrer-sitz, brachte es wieder auf Tiefe, richtete den Bug in die Strömung. Dann legte er einen neuen Kristall ein.
    Mozart, Konzert für Klavier und Orchester, A-Dur.
    Mozart war gut, um gelöst und in Frieden einzuschlafen. Und zu erwachen. Er programmierte die Automatik, dann schluckte er zwei Dormal und nahm einen langen Zug aus der Cognac-Flasche. Es wurde 108
    Zeit, daß er nach Hawaii kam, die Flasche war fast leer, und es war seine vorletzte.

    2.

    Er konnte die Augen nicht öffnen, sich nicht bewegen. Etwas Hartes drückte in seinen Rücken. Der rechte Fuß hatte sich verfangen, die Zehen konnte er rühren, er spürte kaltes Metall.
    Auch die Finger ließen sich bewegen, er tastete die Umgebung ab: Kunststoff, eine Metallkante, eine glatte Wand, er ließ die Hand hinaufkriechen, faßte in eine flauschige Decke.
    Langsam setzte die Erinnerung ein. Er war in seinem Boot.
    Unterwegs nach Hawaii. Er hätte nicht zwei Dormal schlucken sollen. Oder keinen Cognac trinken.
    Er mußte aus der Koje gefallen sein. Jetzt konnte er die Lider ein wenig öffnen. Ja, er lag auf dem Boden, Wieso? Woher kam dieses entsetzliche Schaben und Kratzen? Das flackernde Licht? Er zog sich an der Wand der Koje hoch, hockte sich hin, tappte, noch halbblind, nach den Dosen am Kopfbord, zählte von links; eins, zwei, drei er würgte eine Pille hinunter, wartete, bis die Wirkung einsetzte,

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