Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
zu.«
Wiegand versprach, beides zu tun.
XIII.
Am nächsten Morgen hing dichter Nebel über Rom. Wie mit einem Leichentuch schien die Natur alle Sorgen und Ängste der Menschen zuzudecken, die jene Katastrophe im fernen Germanien ausgelöst hatte.
Zwischen meinem Vater und mir hatte es kein weiteres Gespräch gegeben. Umso überraschter war ich, als mich ein Sklave am Nachmittag in sein Arbeitszimmer rief. Wortlos deutete er auf den Tisch, auf dem eine kleine Wachstafel lag. Mit Erstaunen nahm ich von einer Einladung zum Gastmahl im Hause des PrätorianerpräfektsSeianus Kenntnis. Selbstverständlich galt die Einladung meinem Vater und mir, doch der machte keine Anstalten, sie anzunehmen.
»Du magst gehen, ich werde diesem abscheulichen Emporkömmling keine Ehre erweisen!«
Mit diesem schroffen Kommentar war die Sache für ihn erledigt.
Ich jedoch freute mich auf einen abwechslungsreichen Abend, war ich doch der Gesellschaft des schweigenden Vaters längst überdrüssig. Überdies war mein Ehrgeiz noch lange nicht erloschen. Ich hoffte, bei dieser Veranstaltung wichtige Männer zu treffen, die mir bei der weiteren und hoffentlich erfolgreichen Gestaltung meines jungen Lebens behilflich sein könnten. Auch Seianus selbst schien mir interessant genug, ihm einen Abend zu opfern, hatte ich doch längst erfahren, dass er im Begriff war, im kommenden Rom eine wichtige Rolle zu spielen.
So stattete ich am nächsten Tag zunächst den Thermen des Agrippa einen ausgiebigen Besuch ab, in der erfreulichen Begleitung meines Freundes Cornelius. Der hatte seine Studien vorerst beendet und – dem väterlichen Wunsche folgend – sich ebenfalls der Legion angeschlossen. Sein Kommando hatte ihn zur Legio III Augusta ins ferne Africa gesandt, aber zurzeit hatte er Urlaub. Wie genoss ich doch Bäder, Massage und Salbung und die geistreichen Gespräche mit Cornelius und anderen Freunden aus der Jugendzeit! Freilich kam das Gespräch allzu oft auf die Ereignisse im Teutoburger Wald, doch traf ich hier auf weit mehr Verständnis als im väterlichen Hause.
Gestärkt an Körper und Seele, gekleidet in meine beste Toga und mit frohem Geist machte ich mich zur neunten Stunde auf den Weg in das Haus meines Gastgebers auf dem Pincius, unweit der Gärten des Lucullus.
Hier wusste man Gäste würdig zu empfangen. Sklaven salbten die Füße der Gäste, bekränzten ihr Haupt mit Lorbeer und führten sie zu ihrer Liege im Speisezimmer, in dem zwei Lyraspielerinnen ihren Instrumenten bezaubernde Töne entlockten. Der Gastgeber selbst, angetan mit einer meerblauen, golddurchwirkten Toga, begrüßte mich, als sei ich der Ehrengast: »Mein lieber Pilatus, dein Kommen ehrt mein Haus. Sicher ist dein Vater unpässlich?«
Ich beeilte mich zu versichern, dass dem so sei, murmelte etwas von einem gereizten Magen und fand mich urplötzlich in einer ausgelassenen und trinkfreudigen Schar gut gelaunter Gäste wieder. Ichwill dich, der du diese Zeilen dereinst lesen wirst, nicht mit den Einzelheiten des Mahls langweilen, denn dir werden solche Dinge vertraut sein. Sie tun auch nichts zur Sache, mit einer Ausnahme: Seianus selbst war es, der – zu vorgerückter Stunde – mir eine der wenigen anwesenden Damen vorstellte. Es handelte sich um eine unscheinbare, blässliche Person namens Claudia Proculeia. Unscheinbar, doch von edler Abstammung. Wie Seianus versicherte, war sie mit dem kaiserlichen Haus verwandt, wenn auch, wie er einräumte, in einiger Entfernung. Meine Musterung dieser Frau muss wenig zufriedenstellend ausgefallen sein, denn es bedurfte diverser Aufforderungen seitens des Gastgebers, bis ich zu einer längeren Konversation mit jener blassen Person bereit war. In der Tat kam mir Seianus’ Verhalten an diesem Abend fast schon merkwürdig vor. Hätte ich es nicht besser gewusst, so hätte ich seine Dienste für die eines gewerbsmäßigen Kupplers gehalten. Heute weiß ich es besser!
Ich weiß nicht, wie und wann ich nach Hause gekommen bin. Sicher haben mich seine Sklaven nach Hause getragen, denn ich war völlig betrunken. Fest steht aber, dass mich einen Tag später eine weitere Nachricht des Seianus erreichte, mit der ich um mein baldiges Kommen ersucht wurde. Doch diesmal hatte die Einladung dienstlichen Charakter.
Die Castra Prätoria, das zentrale Lager der Prätorianer im Nordosten der Stadt, befand sich damals noch im Bau, und Seianus residierte in der Castra Urbana am östlichen Rand des Marsfeldes. Freundlich begrüßte er
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