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Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)

Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Pilatus-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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sagte er, »ist er nicht zu Hause?«
    »Nein, aber vielleicht kann ich Ihnen helfen?«
    »Sie?« Fragend blickte der junge Mann ihn an.
    »Geht es um die Schriftrollen?«
    Der Geistliche blickte auf das Namensschild an Wiegands Tür.
    »Ach, Sie sind Dr. Wiegand. Ja, es geht um die Rollen, aber ...«
    »Wollen Sie nicht hereinkommen?«
    Der Geistliche nickte und trat herein. Wiegand führte ihn in sein Wohnzimmer. Das Angebot, seinen Mantel abzulegen oder ein Getränk zu nehmen, lehnte der unbekannte Besucher höflich ab.
    »Ich bin Kaplan Wagenbach«, stellte er sich vor.
    Wiegand blickte ihn neugierig an und schwieg.
    »Das Generalvikariat hat mich beauftragt, gewisse ... äh ... Vorgänge aufzuklären.«
    »Sie meinen natürlich die Rollen?«
    Kaplan Wagenbach nickte. »Sie könnten für die Kirche von allergrößter Bedeutung sein, der Kardinal selbst hat größtes Interesse geäußert. Außerdem gehören sie uns doch, denn sie wurden unter einer Kirche unserer Diözese gefunden, Sie verstehen?«
    Wiegand verstand. Mit einem solchen Besuch hatte er gerechnet, wenn auch nicht so früh.
    »Sind Sie sich eigentlich der möglichen Bedeutung dieser Schriften bewusst, und zwar in historischer wie in theologischer Hinsicht?«
    Wiegand nickte unmerklich. »Ich bin kein Theologe, sondern Historiker und Altphilologe, aber ich kann mir vorstellen, dass ...«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob Sie wirklich eine genaue Vorstellung haben«, unterbrach ihn der Kaplan. Sein Kinn schob sich energisch nach vorne.
    »Sehen Sie, sofern es sich um biblische Texte handeln sollte, was immerhin möglich sein könnte, wäre das eine archäologische Sensation. Denken Sie nur an die Funde von Qumran! Wir haben zurzeit etwa 4680 Handschriften mit neutestamentlichen Texten, davon siebzig Papyri. Die ältesten datiert man um die Mitte des zweiten Jahrhunderts nach Christus. Aber es sind alles Funde aus Ägypten oder dem angrenzenden Raum. Noch nie hat man hier im westeuropäischen Raum vergleichbare Funde gemacht!«
    Er lehnte sich zurück und betrachtete angelegentlich seine feingliedrigen Hände.
    »Haben Sie die Schriften hier?«, kam die nächste Frage nach einer kurzen Pause.
    »Nein.« Wiegand schüttelte entschieden den Kopf, berichtete aber von dem misslungenen Versuch, die zweite Rolle zu öffnen, wobei er ihren Inhalt bewusst verschwieg.
    Der Kaplan verzog sein Gesicht zu einer schmerzlichen Miene.
    »Das sollte man wohl den Fachleuten überlassen!«
    Diese Bemerkung gefiel Wiegand gar nicht.
    »Das Institut für Archäologie der Universität Köln verfügt über solche Fachleute.«
    »Offensichtlich doch nicht«, konterte Wagenbach, um sogleich fortzufahren: »Dann befinden sie sich also dort?«
    Wiegand sah keinen Grund, seinen Besucher anzulügen, und nickte schweigend.
    »Sind Sie bereit, die Funde an den rechtmäßigen Eigentümer, also die Kirche, herauszugeben?«
    Diese Frage brachte Wiegand in große Verlegenheit, obwohl er mit ihr gerechnet hatte. Nach einer kurzen Denkpause entgegnete er: »Ich kann darüber nicht verfügen, ich habe sie ja nicht gefunden. Das wird Herr Hellinger entscheiden müssen.«
    »Ich verstehe«, gab der Geistliche zurück. »Wir haben unsere Anwälte schon eingeschaltet. Ich befürchte, wenn der junge Mannsie nicht herausgibt, wird er echte Probleme bekommen. Wir werden ihn dann wohl auf Herausgabe verklagen müssen.«
    Die Miene des Kaplans verzog sich schmerzgequält.
    »Einstweilen werden wir eine gerichtliche Verfügung auf Sicherstellung beantragen, damit nicht noch mehr Schaden entsteht.«
    Der junge Geistliche war offenbar gut vorbereitet, aber das hatte Wiegand erwartet.
    »Sie sind übrigens nicht der einzige Interessent«, sagte er schnell, um die unangenehme Situation zu überbrücken.
    »Ach ja?«
    In kurzen Worten berichtete Wiegand von den beiden Telefongesprächen, die Hellinger und er mit dem Unbekannten geführt hatten, denn dass es zwischen den Gesprächen einen Zusammenhang gab, war ihm längst klar. Der junge Priester machte ein unglückliches Gesicht.
    »Ein Grund mehr, dass wir uns schnell einigen sollten. Nicht auszudenken, wenn die Schriften in die falschen Hände gelangen!«
    Wiegand verzichtete darauf, nach dem Sinn dieser rätselhaften Bemerkung zu fragen, und nahm die Visitenkarte entgegen, die der Kaplan ihm reichte.
    »Rufen Sie mich doch bitte möglichst bald an, wenn Sie mit dem jungen Mann gesprochen haben«, sagte er zum Abschied, »und reden Sie ihm gut

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