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Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)

Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Pilatus-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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hätte er sie gar angerempelt. Betrübt schüttelte Frau Emmerich den Kopf.
    »Früher wore de Priester och jet freundlicher«, seufzte sie enttäuscht und blickte dem Mann in der braunen Mönchskutte nachdenklich nach.

XXXI.
     
    Die ersten Tage des Festes vergingen wie im Flug. Mehr als hundert Gäste hatten sich eingefunden. Die Heerführer, die Vornehmsten aus Galiläa, die Großen des Hofes, außerdem edle Römer und Griechen aus den Nachbarprovinzen, sie alle waren zur Tafel geladen, nicht zu vergessen der Tetrarch Philippus, der Halbbruder von Antipas. Prachtvolle orientalische Bankette, tollkühne Akrobaten und spärlich bekleidete Harfenistinnen, erregende Gladiatorenkämpfe, Jagdexpeditionen in das Umland, kurzweilige Unterhaltung, geistvolle Gespräche in den entspannenden Thermen ließen die Zeit vorüberfliegen.
    Auch Claudia schien ihre Vorbehalte vergessen zu haben und bereicherte das Fest mit ihrem natürlichen Charme, wenn auch mit der ihr eigenen Zurückhaltung.
    Den Abend des vierten Tages aber werde ich nie vergessen. Ein langes, delikates Mahl lag hinter uns, mein Magen war bis zum Bersten gefüllt: Lammbraten in Dattelsoße, Krustentiere in Garum, Fleischpasteteaus zartem Hühnerfleisch mit Kräuterfüllung, umlegt mit Eiern in Safrantunke, danach süße Kuchen im Piniensud, mit Anis bestreute Nüsse im honiggetränkten Feigenmantel. Erste Ermüdung machte sich unter den Gästen breit, mancher schien schon zum Aufbruch mahnen zu wollen. Da gellte plötzlich die weintrunkene Stimme von Herodes Antipas durch den Saal: »Salome, Salome, tanze für mich!« Die Gäste warfen sich bezeichnende Blicke zu. Bei solchen Anlässen tanzten Schauspielerinnen oder schamlose Dirnen, aber doch nicht Angehörige der Fürstenfamilie. Man war gespannt.
    Salome hatte sich bislang sehr zurückhaltend gezeigt und lag scheinbar teilnahmslos auf einer Liege zur Rechten ihres Stiefvaters. Doch jetzt schüttelte sie unwillig den Kopf und schaute trotzig zur Seite. Herodias, die neben Antipas lag, warf diesem entrüstete Blicke zu und flüsterte Salome einige Worte zu. Zornig erhob sich der Tetrarch und fegte mit seiner Hand eine Silberschüssel mit Obst vom Tisch. »Undankbares Weib, wäre es nicht an der Zeit, Dank abzustatten für all das Land und Gold, das dir mein Vater vermachte, für Jamnia Asdod, Phasaelis und für Askalon, das der große Augustus dir noch als Residenz hinzufügte?«
    Bei der Erwähnung dieses Namens fiel sein Blick wie unwillkürlich auf mich.
    »Wie kannst du mir da einen solchen Wunsch versagen?« Aber Salome blickte nur auf ihren Teller und schwieg. Dann wanderten ihre Augen ruhelos durch den Saal, um schließlich bei mir zu verweilen. Doch Antipas gab noch nicht auf. »Tanz, mein Töchterchen, tanz! So du für mich tanzt, sollst du dir wünschen, was du willst. Gold, Geschmeide, die Hälfte meines Reiches, was dein Herz begehrt, will ich dir schenken, wenn du für mich tanzt!«
    Bei diesen Worten muss ich wohl einigermaßen verblüfft ausgesehen haben, vermochte doch der Tetrarch ohne römische Einwilligung kein Fleckchen Land abzutreten.
    Jetzt aber blickte Salome Herodes aufmerksam an, warf ihrer Mutter einen aufreizenden Blick zu und erhob sich wenig später in unendlicher Langsamkeit. Die junge Fürstentochter, kaum dem Kindesalter entwachsen und doch schon zur frühen Schönheit erblüht, trug ein langes Gewand aus koischem Stoff, fast durchsichtig und mit dünnen, silbernen Fäden durchwirkt, das ihre jungen, üppigen Formenbetonte und kaum verhüllte. Ihre Arme waren mit goldenen Ringen und Perlenschnüren geschmückt, den Hals zierte kostbares Geschmeide. Lang fielen die kunstvoll errichteten Locken auf die entblößten Schultern. Inmitten einiger anderer Tänzerinnen, die unbemerkt dazugetreten waren, begann Salome, sich nach den Tönen von Harfe und Flöte langsam zu bewegen.
    Die Gäste vergaßen ihr Gespräch, unterbrachen ihr Mahl und sahen gebannt auf die sinnliche Darbietung. Lauter und schneller jagten die schmeichelnden Töne, schneller auch die grazilen Bewegungen der Tänzerinnen, die sich in harmonischem Klange drehten und wiegten. Jetzt wuchs die Musik zu spielerischem Crescendo, um plötzlich abzubrechen. Ebenso abrupt beendete Salome ihren Tanz und sank erschöpft zu Boden, während ihre Begleiterinnen so unbemerkt verschwanden, wie sie hinzugekommen waren. Und als Salome schwer atmend da vor den Füßen ihres Stiefvaters lag und ihn mit glänzenden Augen musterte,

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