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Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)

Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Pilatus-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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verrutschte ein Stück ihres Schleiers und gab den Blick preis auf schlanke, bronzene Schenkel, die von Schweißperlen umlegt waren. Zwischen diesem Augenblick und dem Tag, an dem ich diese Zeilen der kratzenden Feder meines getreuen Pontillus anvertraue, sind schon so viele Jahre vergangen, und doch vermeine ich noch heute die sinnliche Ausstrahlung jener jungen Frau zu spüren, die sie auf alle Gäste ausübte – auch auf mich.
    Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass Claudia die Szene mit Unwillen, um nicht zu sagen Ekel verfolgt hatte und nun meinen Arm mit festem Griff packte. Ich weiß heute nicht mehr, was sie mir damals zuflüsterte, zu gespannt verfolgte ich das Geschehen. Immer noch lag Salome vor den Füßen von Antipas, der sie mit keuchendem Atem anstierte. Er griff nach dem Weinpokal und trank gierig aus, wobei er die Hälfte auf sein Gewand schüttete.
    »Was ist es also, das du dir wünschst?« Salome schwieg einen Augenblick. Sie blickte fest ihre Mutter an, dann sagte sie so laut, dass auch der Letzte im Saal es verstehen musste:
    »Den Kopf des Predigers will ich, jetzt und hier, auf einem silbernen Tablett! Nie mehr soll er mich und meine Mutter schmähen!«
    Ich hatte gerade den Pokal angesetzt und muss laut losgeprustet haben. Unwillige Blicke trafen mich, ein Raunen und Stöhnen ging durch den Saal, in dem jegliches Gespräch erstorben war. Ich blickteClaudia ungläubig an, aber die blickte kalkweiß durch mich hindurch. Kopf des Predigers? Meinte sie etwa ...
    »Den Kopf dieses Johannes willst du, den, den sie den Täufer nennen?«
    Antipas brachte das flüsternd vor und stierte verstört auf seine Stieftochter, die entschieden nickte.
    »Genau den, und jetzt!«
    »Töchterchen, Töchterchen, denk gut nach. Du wirst bald heiraten, und da wirst du anderes brauchen als das blutige Haupt jenes alten Mannes. Du wirst ...«
    »Du hast es mir versprochen«, schrie Salome. Ihr hübsches Gesicht hatte sich in eine wahre Fratze verwandelt. »Und nun erfülle dein königliches Versprechen augenblicklich!«
    Ich blickte ungläubig meinen Nachbarn zur Linken an, einen dicken griechischen Kaufmann.
    »Wie ... äh ... wie bei Minerva, kann sie das verlangen? Augenblicklich?«
    Der Kaufmann griff nach einem Stück Braten, tunkte es genüsslich in die Soße und sagte, während er mit vollen Backen kaute:»Er hat diesen Johannes schon vor Wochen festnehmen lassen, Herr. Soweit ich gehört habe, befindet er sich schon geraume Zeit im hiesigen Kerker.«
    »Gaius, Liebster, das kannst du nicht zulassen. Wie kommt dieses verruchte junge Weib dazu, zur allgemeinen Belustigung den Kopf eines Gerechten zu fordern?« Während Claudia mir dies ins Ohr raunte, bohrten sich ihre Fingernägel schmerzhaft in mein Fleisch.
    »Wie sollte ich es verhindern, Täubchen? Wir sind hier in Galiläa, hier regiere nicht ich, hier ...«
    In diesem Moment klatschte Herodes Antipas in die Hände und winkte den Führer der Palastgarde zu sich. Ich glaube, ich ahnte, was er ihm zuflüsterte, denn ich war wesentlich weniger geschockt als meine arme Claudia, als man Minuten später auf einem silbernen Tablett das blutige Haupt jenes Mannes hereintrug, den sie Johannes den Täufer nannten.
    Am nächsten Morgen reisten wir ab.

XXXII.
     
    Tief betrübt blickte Pfarrer Diefenstein auf die Scherben vor seinen Füßen.
    »Dann hat der Täter also von außen eine Leiter angelegt, die Scheibe eingeschlagen und ist heruntergesprungen?«, meinte der ermittelnde Kripobeamte, ein kräftiger Mann in den Fünfzigern mit vollem grauem Haar und freundlichem Gesicht, der sich als Kriminalobermeister Allenstein vorgestellt hatte. Der Unbekannte musste sehr sportlich sein, denn die Höhe vom Fenster bis zum Boden war recht ordentlich. »Ich hätte mir alle Knochen gebrochen«, dachte der Beamte voller Respekt, nicht wissend, dass der Täter zur Absicherung ein dickes Hanfseil benutzt hatte.
    Mit zornigem Blick kehrte Küster Blaschke derweil die Scherben zusammen und murmelte empört etwas von unchristlichen Barbaren, die vor nichts Respekt hätten.
    »So muss es wohl gewesen sein!«, seufzte der Geistliche. Wo ließe sich wohl heute, an Heiligabend, ein Glaser finden, der das kurzfristig reparieren würde? Dass die Besucher der Christmette durch den Zugwind noch mehr frieren würden, als sie es ohnedies schon zu tun pflegten, dieser Gedanke bereitete ihm erhebliches Unbehagen.
    »Und es wurde nichts gestohlen?« Allenstein blickte sich interessiert um.

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