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Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)

Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Pilatus-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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eigentlichen Aufgaben als Statthalter. So flog die Zeit im Einerlei des Provinzdienstes dahin. Tage, Wochen, Monate, Jahre vergingen, ohne dass sich Dinge ereigneten, die dieser Aufzeichnungen würdig gewesen wären. Ich las anfangs noch regelmäßig die Berichte meines alten Freundes Cornelius über jenen seltsamen Mann aus Nazareth und konnte doch nichts darin finden, was meiner Aufmerksamkeit wert gewesen wäre. Die Geschichten über wundersame Heilungen und subtile Reden amüsierten mich. Später legte ich sie meist ungelesen auf die Seite.
    Aber dann beschloss Fortuna, wieder in mein Leben einzugreifen. Ihr zweiter Schlag kam in Gestalt eines Briefes, den mir mein redlicher Verwalter Gabinius geschickt hatte. Er war datiert auf den vierten Tag nach den Iden des Octobers im Jahre 722 nach Stadtgründung, erreichte mich aber naturgemäß viel später. Hatte ich zunächst noch gedacht, es könne sich um die jährliche Abrechnung handeln (dazu wäre es eigentlich zu früh gewesen), so musste ich mich bald eines Besseren belehren lassen. Ich habe diesen Brief noch heute bei mir, und so kann ich ihn im getreuen Wortlaut zitieren:

    Edler Herr, hochachtungswürdiger Präfekt,

ich schreibe dir diese Zeilen in Eile, aber auch in Sorge, weil sich hier in Rom Dinge ereignet haben, die du zuerst von mir erfahren sollst. Dein, wenn du mir erlaubst, ihn so zu nennen, Freund und Gönner Aelius Seianus ist nicht mehr! Ich meine damit, dass er auf kaiserlichen Befehl vor einigen Tagen mitten im Senat arretiert und noch am gleichen Abend vom Henker erwürgt wurde.
Fragst du nach den Gründen, edler Herr, so vermag ich dir nur die Gerüchte zu nennen, die in reicher Zahl über das Forumschwirren. So soll er Anteil am Tod des jungen Prinzen Drusus gehabt (obwohl das doch nun schon so lange her ist!) und geplant haben, die Macht ganz an sich zu reißen.
Einem einfachen Freigelassenen wie mir steht es nicht zu, solche Gerüchte zu nähren, zumal es für den Absender wie den Empfänger solcher Zeilen gefährlich sein mag, wenn der Brief in falsche Hände gerät. Tatsache jedenfalls ist, dass die ganze Aktion von seinem Nachfolger, einem gewissen Sutorius Macro, geleitet wurde und nun – wenn man den Gerüchten denn glauben darf – die Freunde und Anhänger des Seianus das Ärgste befürchten müssen. Man hört schon von Selbstmorden, und der Henker reibt sich die Hände. Ich weiß nicht, edler Herr, inwiefern auch du mit dem Schlimmsten rechnen musst, doch wurde mir von wohlmeinender Hand eine Warnung zur Weitergabe an dich zugespielt. Bitte lass es mich wissen, wenn ich dir in irgendeiner Weise gefällig sein kann, und nimm meine untertänigsten Grüße entgegen. Mögen die Götter mit dir sein.

    Dein treuer Gabinius

    Ich muss leichenblass gewesen sein, als ich den Brief sinken ließ, denn jedenfalls eilte Claudia, die gerade hereingekommen war, um die Gästeliste für ein Gastmahl zu besprechen, besorgt herbei und fasste meine Schulter. Zum ersten Mal seit langem sprach sie mich wieder an, und ihre Besorgnis tat mir gut.
    »Was ist dir, Liebster?«
    Ich hauchte tonlos:»Lies dies!«
    Auch Claudia erschrak nach dem Studium der Schrift. Angstvoll legte sie den Arm um mich.
    »Müssen auch wir nun befürchten, dass ...«
    Sie vollendete den Satz nicht, aber ich wusste auch so, was sie meinte.
    »Nicht nur wir«, sagte ich düster. »Auch andere, wie Kaiaphas oder Herodes Antipas, lebten auf seine Gnade.«
    Schon zwei Tage später erörterte ich im schmucklosen Haus des Kaiaphas mit diesem die neue Lage.
    »Beunruhigende Nachrichten aus Rom, nicht wahr, Präfekt?«
    Ich nickte nur, während Kaiaphas meine Miene aufmerksam studierte. »Wie wirst du dich nun verhalten?«, fragte er weiter.
    »Ich denke, man wird die Auswirkungen auf unser Leben hier abwarten müssen. Rom ist weit weg, und was sich in Rom ereignet, muss hier nicht seine Fortsetzung finden.«
    Kaiaphas nickte. Seine feingliedrigen, langen Finger strichen fahrig über das schmucklose Wollgewand, das er heute trug. »Die Hauptsache wird sein, dass es hier ruhig bleibt und alles seinen gewohnten Gang geht.« Er seufzte. »Wir haben uns ... äh ... arrangiert, Präfekt, nicht wahr? Seit deinem Amtsantritt war es nicht Freundschaft, was uns verband, aber Respekt. Gegenseitiger Respekt. Das hat uns beiden geholfen. Meine Leute finden sich mit den Gegebenheiten ab, und mit dir war man in Rom zufrieden, oder?«
    Ich nickte. »Du sagst es, edler Kaiaphas. Wenn man nur diese

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