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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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wollte.
    „So fahr zur Hölle, Weib!“, wütete nun Trappatino und umschloss ihre Kehle mit eisernem Griff.
    Leonor versuchte, die Hände des Marchese wegzudrücken und dem Würgen ein Ende zu setzen – vergeblich. Zu stark war der Wüstling in seinem Zorn. Hatte nun ihr letztes Stündlein geschlagen, nachdem sie so viele Fährnisse überstanden hatte?
    Ein wütender Schrei hallte durch die Schlafkammer.
    Die Hände an ihrer Kehle packten fester zu. Verzweifelt rang Leonor nach Atem. Die Augen quollen ihr hervor, und ihr letzter verzweifelter Blick fiel auf ein Schwert, das drohend über ihr schwebte. Entsetzt wollte sie aufschreien, doch der Würgegriff an ihrem Hals hinderte sie daran. Unaufhaltsam näherte sich die tödliche Waffe …
    Der machtvolle Hieb, der nun herniederging, setzte nicht nur den Mann, der ihr das Leben aus dem Leib zu pressen versuchte, außer Gefecht.
    Das ist also der Tod, war Leonors letzter Gedanke, bevor sie die Besinnung verlor und in ein schwarzes Loch sank. War sie in einen tiefen, unergründlichen Brunnen gefallen? War sie tot und in der Hölle gelandet?
    Doch dann spürte Leonor, wie jemand sie an den Schultern packte und rüttelte.
    „Wach auf! Wir müssen fort von hier!“
    Nur langsam kehrte Leonor in die Wirklichkeit zurück. Sie war nicht tot, sie hatte wohl nur das Bewusstsein verloren, und es war der Chevalier, der sie schüttelte. Sie spürte, wie ein Gewicht von ihrem Leib entfernt wurde. Unendliche Erleichterung durchflutete sie. Sie griff sich an die schmerzende Kehle, die der Wüstling so brutal zusammengepresst hatte. Nur mühsam kam sie auf die Beine, unterstützt von Trouville.
    Erst als sie stand, bemerkte sie, dass ihre Brüste noch immer zu sehen waren. Und dann spürte sie den Blick des Chevaliers, der kurz auf ihrem nackten Busen verweilte. Rasch zog sie die Fetzen ihrer Tunika über der Brust zusammen. Himmel, was mochte Trouville nun von ihr denken – hielt er sie vielleicht sogar für eine gemeine Metze? –, und was würde er jetzt tun? Würde er sie fortschicken und sie ihrem Schicksal überlassen?
    „Beeil dich, wir müssen aus der Burg fliehen. Noch ist der Marchese ohnmächtig, und niemand scheint den Lärm gehört zu haben, den ich machte, als ich die Tür eintrat.“ Er packte Leonor bei den Schultern und schob sie zum Ausgang. Schon auf dem Gang warf er noch einen letzten Blick zurück auf die Bettstatt, wo der Burgherr wie leblos dalag. „Vielleicht habe ich ihn getötet, was ich nicht wollte. Vielleicht wird er auch wieder aufwachen – so oder so, wir müssen von hier weg, ehe man unserer habhaft wird. Denn dann droht uns ein Schicksal, das ich meinem ärgsten Feind nicht wünsche.“
    Immer noch halb betäubt vor Angst und Schrecken, ließ Leonor sich vom Chevalier in Richtung der Wendeltreppe führen, wobei sie krampfhaft die Enden der Tunika zusammenhielt.
    „Wie gut, dass wir alles, was wir mitführen, in den Satteltaschen gelassen haben“, sprach Robyn weiter. „Wenn wir erst unbehelligt den Stall erreicht haben, wird uns die Flucht gelingen.“
    So schnell sie konnte, taumelte Leonor den Gang entlang, gefolgt vom Chevalier, der kampfbereit sein Schwert in der Hand hielt. Sie erreichten die Stiege und dann einen Absatz, wo sich die Treppe – nur spärlich beleuchtet vom Licht einer rußigen Pechfackel – teilte. Robyn riss sie aus ihrer eisernen Halterung.
    Verdammt! dachte er. Sonst besaß er einen so untrüglichen Orientierungssinn, doch nun konnte er sich nicht mehr daran erinnern, welche Treppe sie nach oben zu ihrer Schlafkammer genommen hatten. Nun gut, wahrscheinlich führten beide Stiegen nach unten in die Halle des Bergfrieds.
    „Nach rechts“, dirigierte er Leonor, wobei er lauschte, ob von oben aus der Schlafkammer des Burgherrn ein Geräusch zu hören war. Doch alles blieb still, und auch von der Dienerschaft schien keine Gefahr zu drohen. Wahrscheinlich hatte sie ihr Quartier irgendwo außerhalb des Bergfrieds. Hatte der Marchese nicht von Hütten gesprochen? Wachsam folgte er Leonor die Treppe hinunter, die indes nach einem guten Dutzend Stufen vor einer Tür endete.
    Was tun? Umkehren und die andere Stiege benutzen? Oder auf gut Glück die Tür öffnen und hoffen, dass diese nur dazu diente, eventuelle Feinde aufzuhalten, und dass eine zweite Treppe dahinter weiter nach unten führte?
    Robyn schob sich an Leonor vorbei, drückte langsam den eisernen Griff hinunter und stieß vorsichtig die Tür auf.

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