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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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waren ärmlich gekleidet, manche trugen kaum mehr als Lumpen. Ihre einfachen Kittel waren mehrfach geflickt, und manch einer von ihnen war so mager wie die herrenlosen Hunde und Katzen. Die dunklen Augen einiger zeigten indes noch Stolz, die anderer hingegen nur noch Niedergeschlagenheit und Verzweiflung. Die meisten gafften sie – und vor allem ihre wertvollen Pferde – neidisch an, wichen jedoch, wie zuvor die Katzen und Hunde, ängstlich an die Häuserwände zurück, als sie den riesigen Hund von der Größe eines Kalbes erblickten. Ein paar Straßenjungen waren indes dreist genug, Steinchen nach Tarras zu werfen, bevor sie schreiend davonstoben.
    Da sie nur langsam vorankamen, machte sich ein Dieb an Aurels Satteltaschen zu schaffen, was Robyn allerdings nicht entging. Sein gezücktes Schwert vertrieb den Mann umgehend, der lästerliche Flüche ausspie und „das feine Herrenpack“ beschimpfte.
    „Ich bin froh, wenn wir dieses Viertel hinter uns gelassen haben“, murmelte Robyn, und Leonor stimmte ihm zu.
    Schließlich wurden die Gassen etwas breiter und heller, die Häuser machten einen gediegeneren Eindruck, und die Menschen waren besser gekleidet. Nur kurz darauf gelangten sie zu einem Marktplatz, auf dem Händler Gemüse, Obst, Brot, Käse, Wurst und Fleisch anboten. Hier erwarben sie einige frische Speisen, die sie zu einer steinernen Bank trugen, um sie im warmen Schein der Morgensonne zu verzehren. Zuvor hatten sie die Pferde, die nun an den eisernen Ringen einer Hausmauer angebunden waren, an einem Brunnen getränkt und gefüttert. Zu ihren Füßen ließ sich Tarras, dessen Verletzung gut zu heilen schien, ein getrocknetes Rinderohr schmecken.
    Nur wenige Worte hatten sie auf dem Weg bis hierher gewechselt, und die hatten sich zumeist auf den erbärmlichen Zustand des „Albergo Lucia“ bezogen, wo ihnen die geschäftstüchtige Wirtin, wohl wissend, dass sie an diesem Abend keine andere Unterkunft mehr finden würden, bereits am Abend zuvor einen unverschämt hohen Betrag für die Übernachtung abgeknöpft hatte.
    Schließlich brach Robyn das Schweigen. „Nicht mehr lange, und wir werden die Basilika erreicht haben, in der sich die Gebeine des heiligen Paulus befinden. Dann wirst du das Ziel deiner Reise erreicht haben.“ Insgeheim hoffte er, Leonor würde ihm nunmehr verraten, was sie danach vorhatte – und ihm vielleicht auch einen Wink geben, was der Abschied von ihm für sie bedeutete.
    Doch Leonor schwieg und kaute, obwohl sie hungrig war, nur lustlos auf einem Stück Käse herum, denn der bevorstehende Abschied vom Chevalier hatte ihr den Appetit verdorben. Ein Blick auf den Ritter, der es sich schmecken ließ und sich gerade ein weiteres Stück Wurst abschnitt, zeigte ihr, dass diesem die Trennung keineswegs auf den Magen geschlagen war.
    Leonor kaute weiter auf dem Stück Käse herum, während sie überlegte, welche Antwort sie dem Ritter geben sollte. Nur noch kurze Zeit, und sie würden einander Lebewohl sagen müssen. Sie wusste nicht, wie sie die Trennung von ihm überstehen sollte. Er dagegen hatte einmal mehr so beiläufig, so nüchtern gesprochen, dass sie ihm einfach nicht sagen konnte, was sie wirklich bewegte.
    Mühsam schluckte sie den Käse, der ihr wie ein alter Lappen schmeckte, hinunter. Dann zwang sie sich, den Kopf zu heben und Robyn anzuschauen. Vielleicht entdeckte er ja in ihrem Blick, wie es um sie stand?
    „Ja, in der Tat“, murmelte Leonor tonlos. „Dann habe ich das Ziel meiner Fahrt erreicht und hoffe …“ Ein Kloß in ihrer Kehle machte ihr es unmöglich, weiterzusprechen und dem Chevalier doch noch zu gestehen, dass sie hoffte … sich nicht von ihm trennen zu müssen. Aber anscheinend hatte er ihr zaghaftes „Und hoffe“ gar nicht gehört, vielleicht war es auch in den Rufen der Marktschreier, die ihre Ware lautstark anpriesen, untergegangen. Denn er sprang auf und sagte nur: „So wollen wir denn zur Basilika reiten. Und anschließend muss ich mich unverzüglich im Palazzo der Colonna einfinden, um die Botschaft des Herzogs von Mailand zu überbringen, wie es mir aufgrtragen wurde.“
    Leonor brachte keinen Bissen mehr hinunter. Das letzte Stück Käse warf sie Tarras hin, dann stand sie ebenfalls auf und folgte Robyn niedergeschlagen zu den Pferden.
    Kurz vor dem Platz, auf dem die Kirche zu Ehren des Apostels errichtet war, mussten sie eine Schar Bettler passieren. Leonor schluckte beim Anblick von so vielen verstümmelten Armen und Beinen, die mit

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