Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
Vom Netzwerk:
zu versinken. Elle für Elle, so wirkte es, tauchte das Himmelsgestirn in die unendlichen Fluten ein und malte Streifen in allen möglichen rot-, gelb- und violettfarbenen Schattierungen ans Firmament.
    „Sieh nur“, wiederholte Robyn und deutete auf eine amethystfarbene Stelle. „Dort hat der Himmel genau die Farbe deiner Augen.“
    Leonor sah zu ihm hoch, und ihre Blicke versanken ineinander. Behutsam küsste er ihren Scheitel und fuhr fort: „Und alsbald wird uns die Nacht umfangen, die so schwarz ist wie dein Haar.“
    Zum ersten Mal seit langer Zeit musste Leonor lachen. „Was für ein Poet du doch bist, Ritter Robyn“, zog sie ihn auf. „Indes könnte ich dir ebenfalls ein paar hübsche Komplimente machen, denn diese Stelle dort …“, sie deutete auf einen kastanienbraunen Streifen am Himmel, „… hat genau die Farbe deines Haares. Und wenn das Meer aufgewühlt ist vom Sturm, so gleicht es deinen Augen.“
    Glücklich, dass Leonor so gelöster Stimmung war, drückte er sie an sich. „Ach Liebste“, seufzte er zufrieden, „bist du nicht froh, dass unsere Wege sich gekreuzt haben? Ich jedenfalls danke dem Herrn – oder dem Schicksal –, dass wir einander begegnet sind.“
    „Oh ja“, murmelte Leonor und schloss, müde von den Anstrengungen und Ereignissen des Tages, die Augen. „Einen Ritter wie dich trifft man nicht alle Tage.“
    „Einen Ritter wie mich – was bedeutet das?“, hakte Robyn nach. Doch er bekam keine Antwort. Die rosigen Lippen, die er so gerne noch einmal geküsst hätte, leicht geöffnet, war Leonor an seiner Brust eingeschlafen.

30. KAPITEL
    L eonor erwachte von einem Sonnenstrahl, der ihre Lider kitzelte. So, wie sich der gestrige Tag mit einem grandiosen Naturschauspiel verabschiedet hatte, begrüßte nunmehr der neue sie mit einem herrlichen Sonnenaufgang.
    Was für ein wundervoller Morgen! War er der Bote eines verheißungsvollen Neuanfangs? Ein gutes Omen, so wie damals das Gewitter in Freiburg ein schlechtes gewesen war?
    In der Nacht war sie aufgewacht. Zunächst hatte sie nicht gewusst, wo sie sich befand. Doch dann hatte sie Wärme, eine breite Brust und einen männlichen Duft wahrgenommen und sich wohlig an Robyn geschmiegt. Seine letzten Worte waren ihr wieder durch den Kopf gegangen, und lange hatte sie darüber nachgedacht, bis sie endlich zu dem Schluss kam, ja, es war Gottes Wille, dass alles so geschehen war, und es wäre falsch, sich gegen den Ratschluss des Herrn aufzulehnen. So, wie es Ihm gefallen hatte, ihr Mann und Kind zu nehmen, so hatte Er auch ihre Schritte sicher gelenkt, hatte sie die Entscheidung treffen lassen, den schmalen Pfad bergaufwärts zu nehmen statt den breiten ins Tal. Er hatte seine Hand über sie gehalten und sie geführt, auf dass sie einem gewissen Chevalier begegnete, der ihr Herz schneller schlagen ließ. Ja, sie würde es als Gottes Willen verstehen, dass er ihr an der Seite von Robyn de Trouville eine glückliche Zukunft gewährte. Natürlich würde sie Konrad und ihren kleinen Sohn niemals vergessen, sie stets in ihrem Herzen bewahren …
    Mit einmal war ihr ein beängstigender Gedanke gekommen: Robyn begehrte sie zwar, aber wollte er sie auch zu seiner Frau machen? Oder stand ihm nur der Sinn nach einer Tändelei und ein paar lustvollen Stunden? Doch nein! Warum wäre er sonst zurück nach Rom geritten, um sie zu suchen? Mit diesem glücklichen Gedanken war sie erneut eingeschlafen. Und hatte wieder einmal von dem Engel geträumt, der sich in einen Ritter verwandelte. Und nunmehr eindeutig Robyns Züge trug.
    Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie sich nun dehnte und streckte und die ersten wärmenden Strahlen der Sonne auf ihrem Gesicht genoss. Plötzlich spürte sie noch etwas Warmes auf ihrer Wange: feste männliche Lippen, die zart über ihre Haut strichen. Und dann streifte ein Atemhauch ihr Ohr, und jemand flüsterte: „Was macht Euch lächeln, meine schöne Gräfin?“
    „Ich glaube, es ist ein gewisser Ritter mit grünen Augen und kastanienbraunem Haar, der mit seinen Küssen sogar eine Königin betören könnte“, erwiderte Leonor halb im Spaß, halb im Ernst.
    „Aber dieser Ritter hat kein Verlangen nach Königinnen und anderen edlen Damen“, ging Robyn auf ihre Worte ein. „Er begehrt nur eine gewisse Gräfin mit nachtschwarzem Haar und veilchenblauen Augen. Die einzige Frau, die er sich als seine Gemahlin vorstellen kann.“ Er seufzte schwer. „Ach Leonor, ich muss dir etwas

Weitere Kostenlose Bücher