Die Pilgergraefin
im Denken war. „Gewiss ein guter Plan, Richard. Jedoch – wie bekommen wir den Pater dorthin?“
Ludwig, der einmal eine Schreinerwerkstatt besessen hatte und deutlich heller im Kopf war als Ottwald, wusste sofort Rat. „Wir fertigen eine Trage aus Holz und legen Pater Anselm darauf.“
Richard nickte, und auch Gotthilf stimmte zu und tat dabei, als sei der Vorschlag von ihm gekommen. Schon bald waren die Männer – angefeuert von Gotthilf, der sich jedoch nicht beteiligte – damit beschäftigt, im nahen Waldstück geeignete Äste zu suchen, aus denen sie mit den bescheidenen Mitteln, die ihnen zur Verfügung standen, eine Trage für den schwer verletzten Pilgerführer fertigen konnten.
Derweil kümmerten sich die Frauen um den Ohnmächtigen, versuchten ihm Wasser einzuflößen und legten ihm nasse Tücher auf die Stirn. Gotthilf kniete neben ihm nieder und sprach salbungsvoll ein Gebet.
Helene, die behauptete, sich in der Heilkunde auszukennen, tastete vorsichtig die Gliedmaßen des Verunglückten ab. Dabei fiel ihr auf, dass der linke Arm Pater Anselms merkwürdig verdreht war, und verkündete stolz ob ihres Wissens: „Sein Arm ist gebrochen.“ Sofort machte sie sich daran zu schaffen, bis ein lauter Wehschrei des Verletzten sie zur Seite springen ließ. „Gottlob, Pater Anselm wacht auf! Nun werden wir doch noch nach Rom kommen und dort die Vergebung unserer Sünden erlangen!“, jubelte sie schrill, wobei ihr die Pein, die sie dem Verletzten zugefügt hatte, völlig gleichgültig zu sein schien.
Während Ludwig und Ottwald den Stöhnenden auf die behelfsmäßige Bahre legten, bekreuzigten sich die anderen Pilger und dankten dem Herrn dafür, dass ihr Anführer den Sturz in die schauerliche Tiefe überlebt hatte.
„Folgt mir“, forderte Richard seine Gefährten auf und warf Gotthilf einen verächtlichen Blick zu. Der Mann hatte schon beim Scheunenbrand nur das Maul aufgerissen, sich jedoch nicht als hilfreich erwiesen. Dann begann er den Abstieg ins Tal.
Dass Leonor und Anna fehlten, fiel keinem der um das Wohl des Paters besorgen Wallfahrer auf.
„Niemals werde ich Euch meine Schwester Gisela zur Frau geben!“ Innerlich voller Furcht, da er wusste, wozu der grausame Baron fähig war, blickte Lothar dennoch entschlossen in das nicht schielende Auge des Mannes, der ihn in der Hand hielt und an den Galgen bringen konnte, weil er um seine Freveltat wusste, die er geringschätzig als „kleines Geheimnis“ bezeichnete.
Kuno von Attenfels gab ein meckerndes Lachen von sich, das dem bocksfüßigen Teufel selbst wohl angestanden hätte. „Ihr kennt unsere Abmachung, werter Graf: entweder Eure schmucke Schwägerin, die sich jedoch diesem Pilgerpack angeschlossen hat und somit außer Reichweite ist, oder Eure geliebte Schwester, nach der mich, ehrlich gesprochen, inzwischen sogar noch mehr gelüstet. Ihr wisst, wie viel Freude ihr junger Leib mir bescheren wird.“
Unwillkürlich griff Lothar an seinen Gürtel, wo das Jagdmesser in der Scheide steckte. Am liebsten hätte er den lüsternen Blutsauger, der ihn wegen seiner Spielleidenschaft und noch schlimmeren Verfehlungen in der Hand hielt, auf der Stelle erstochen. Doch da sie von zwei Jagdgehilfen auf dieser Falkenbeiz begleitet wurden, die damit Zeugen des Mordes geworden wären, hielt er sich im letzten Augenblick zurück. Hoch in den Lüften kreisten sein Sperber und der des Barons auf der Suche nach Beute. Als einer der Raubvögel in den Sturzflug überging, um seine Krallen in sein Opfer zu schlagen, wünschte Lothar sich an dessen Stelle zu sein, und sah vor seinem geistigen Auge, wie der Baron unter seinem Zugriff den letzten Atemzug tat. Sein Hass auf den grausamen Mann wuchs ins Unermessliche.
Wie hatte er nur in die Fänge dieses Teufels geraten können? Wie hatte er ihm jemals dieses unselige Zugeständnis bezüglich Giselas machen können? Und vor allem: Wie hatte er ihm sein gefährliches Geheimnis anvertrauen können? Lothar verfluchte seinen Hang zu starken Weinen, die ihm wohl die Zunge gelockert hatten, und zum Würfelspiel, bei dem er zunächst nur ein paar Silberpfennige, nach mehreren Gewinnen jedoch wie im Rausch immer höhere Beträge eingesetzt hatte – sodass ihm das Wasser förmlich bis zum Halse stand, als er verlor. Und dann, eines Abends, an dem er viel mehr getrunken hatte, als er vertrug, waren ihm jene unseligen Worte über die Lippen gekommen …
Wasser … Lothar kam eine Idee. Sie befanden sich auf einem
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