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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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ich bis dahin recht nahestand, solch großen Kummer bereitete, als sie durch eine missgünstige Nachbarin davon erfuhr.“
    „So sprich weiter, Anna, wenn es dich denn erleichtert.“
    „Bis zur Niederkunft meiner Schwester – sie wurde von einem strammen Jungen entbunden – habe ich mich heimlich mit Randolf getroffen. Dann merkte ich eines Tages, dass ich selbst guter Hoffnung war. Nach der Geburt seines Sohnes wollte mein Schwager jedoch plötzlich nichts mehr von mir wissen, und ich wagte es nicht, ihm zu gestehen, dass ich schwanger war. Also bin ich zur Hütte von Griseldis, einer Wehmutter und Heilkundigen, gegangen. Sie hatte Mitleid mit mir und gab mir einen Kräutertrank. Und das ist meine größte Sünde: Ich habe mein ungeborenes Kind umgebracht.“ Weinend brach Anna in den Armen ihrer jungen Herrin zusammen.
    Leonor wusste nicht, was sie sagen sollte. Einerseits war sie entsetzt, dass ihre gute Kammerfrau in ihrer Jugend so schwer gefehlt hatte. Andererseits verstand sie die Not der jungen Anna, denn eine Ehebrecherin, die zudem noch schwanger von ihrem Liebhaber war, hatte eine schwere Strafe zu erwarten. Ihr standen Tränen in den Augen, als sie Anna immer wieder über den Kopf strich und sie in den Armen wiegte, als sei sie ein Kleinkind.
    „Ach, meine Gute“, murmelte sie schließlich. „So hast auch du Schuld auf dich geladen. Aber sind wir denn nicht alle Sünder auf Erden? Und trifft es sich da nicht gut“, versuchte sie zu scherzen, um ihre Kammerfrau aufzumuntern, „dass wir uns auf einer Wallfahrt befinden, um für unsere Sünden zu büßen?“
    Anna schienen diese Worte jedoch nicht so recht zu trösten. Aber als gehorsame Dienerin stimmte sie ihrer Herrin zu. „So kann ich nur hoffen, dass ich Rom noch erreiche, um am Grab des Apostels Vergebung zu erlangen. Danach will ich gern aus dem Leben scheiden und meine Seele dem Herrn anempfehlen.“
    „Liebste Anna, sprich nicht so. Du sollst doch noch recht lange bei mir bleiben. Was sollte ich denn ohne dich tun? Am besten ist, du stärkst dich erst einmal. Dann wirst du dich alsbald besser fühlen.“
    „Ach, ich weiß nicht … und wir haben doch gar nichts mehr …“
    „Ich glaube, wir haben da noch etwas Räucherfleisch.“ Leonor kramte erneut in ihrem Beutel. „Tatsächlich! Sieh nur, Anna!“ Triumphierend schwenkte sie ein Stück Dörrfleisch vor den Augen ihrer Kammermagd. „Das wird uns wieder zu Kräften bringen.“
    „Gewiss, Herrin“, stimmte Anna ihr etwas gequält zu, obwohl ihr jetzt nicht der Sinn nach Essen stand. Außerdem war sie nicht mehr die Jüngste und hatte in den letzten Jahren einige Zähne verloren. Zwar knurrte ihr der Magen, doch der Gedanke an ein Stück zähes Dörrfleisch vermochte sie dennoch nicht zu erfreuen.
    „Komm, Anna. Wir setzen uns dort auf den flachen Felsbrocken, lassen uns von der Sonne erwärmen und stärken uns mit dem Räucherfleisch. Danach überwinden wir die Passhöhe, und dann geht es bergab.“
    Ächzend ließ Anna sich auf dem Felsen nieder und grub ihre restlichen Zähne in das Dörrfleisch.
    Vielleicht hätte es ihr besser geschmeckt, hätte sie gewusst, dass es ihre vorletzte Mahlzeit sein sollte.
    Zufrieden grinsend ritt Lothar, den prächtigen Rappen des Barons am Zügel führend, nach Eschenbronn zurück. Am liebsten hätte er seine Freude laut herausgeschrien, als er die schwarzgekleidete Gestalt seines Feindes im hohen Bogen durch die Luft segeln sah. Im letzten Augenblick hatte dessen kluges Pferd die Gefahr gewittert und im gestreckten Galopp vor dem Abgrund innegehalten, sodass sein Reiter die Gewalt über es verloren hatte und mit einem entsetzlich klingenden Todesschrei aus dem Sattel und in die Tiefe geschleudert worden war.
    Lothar hatte seinen Hengst rechtzeitig gezügelt und war von den entsetzten Jagdgehilfen umringt worden. Dem einen hatte er befohlen, den zitternden Rappen des Barons, dem Schaum vom Maul tropfte, zu ihm zu bringen. Den anderen beauftragte er, den Abhang hinabzusteigen und nach dem Gestürzten zu suchen.
    Nur halbherzig war der Mann aus dem Sattel gerutscht und an die Kante des Abhangs, die ein wenig überhing und die Sicht nach unten versperrte, getreten.
    „Ich sehe nichts, Herr Graf. Aber einen solchen Sturz überlebt niemand. Soll ich wirklich mein Leben riskieren, nur um einen Toten zu finden?“, hatte der Jagdhelfer gegreint.
    „Hinab mit dir, du fauler Lümmel, sonst bekommst du meine Reitgerte zu spüren“, hatte Lothar ihn

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