Die Pilgergraefin
nach Avignon, Mailand und danach wieder zurück nach Frankreich führen, sondern ich, je nachdem, wie die Antwort des Herzogs Visconti ausfällt, auch noch nach Rom weiterreiten müssen, dachte Robyn, dann ist die Aussicht auf die Verwaltung von ertragreichen Ländereien schon nicht mehr ganz so abwegig. Und dazu würde dann auch wieder eine schöne Gemahlin mit schwarzem Haar – und vielleicht sogar blauen Augen – passen.
Indes währte seine Vorfreude auf derart paradiesische Zustände nicht lange, denn es sah ganz so aus, als hätte der Himmel seinen Wunsch nach einem kleinen Abenteuer erhört.
Frohen Mutes schritt Leonor die letzte Anhöhe hinauf, die sie noch, so hatte es ihr der Pfarrer des kleinen Dorfes in Latein gesagt, überwinden musste, bevor sie das Gebirge hinter sich lassen konnte. Die Alpen hätte sie dann zwar gemeistert, doch würden noch immer etliche Täler und Hügel vor ihr liegen, die sie durchschreiten und erklimmen musste, bis sie Rom erreichte.
Vorgestern Morgen war sie ausgeruht am Ufer des Baches aufgewacht, unbelästigt von wilden Tieren oder bösen Menschen.
Nach einem Frühmahl, wieder einmal bestehend aus Käse und Brot, das sie mit Tarras geteilt hatte, war sie nach einem letzten Blick auf den friedlichen Wiesengrund aufgebrochen und weiter dem Weg gefolgt, der sie schließlich in den von der Alten angekündigten Weiler geführt hatte. Da die Bewohner sie nicht verstanden, hatte man sie zum Pfarrer der Gemeinde geführt. Zunächst war der Gottesmann ihr durchaus skeptisch begegnet – eine junge Frau ganz allein unterwegs – und schien sie eher für ein loses Frauenzimmer zu halten, das die Moral seiner Schäflein bedrohte. Doch als sie ihm auf Latein – worüber er nicht schlecht erstaunt gewesen war – die Umstände ihrer Pilgerfahrt nach Rom erklärt hatte, war er freundlich und hilfsbereit gewesen. Allerdings hatte er ihr dringend ans Herz gelegt, sich doch lieber in das nur einen halben Tagesmarsch entfernte Kloster der Klarissen zu begeben und dort Schutz zu suchen, als die Reise nach Rom allein fortzusetzen. Sogar einen Knecht als Begleiter hatte er ihr mitgeben wollen. Leonor hatte ihm versprochen, darüber nachzudenken, auch wenn sie insgeheim entschlossen war, das Kloster nicht aufzusuchen, sondern so schnell wie möglich weiterzuziehen.
Am Abend nach einer einfachen, doch nahrhaften Mahlzeit hatte die Wirtschafterin des Geistlichen sie in die Gästekammer des kleinen Pfarrhauses geführt, indes darauf bestanden, dass Tarras, nachdem er einen großen Fleischknochen erhalten hatte, die Nacht im Stall, wo der Maulesel des Pfarrers stand, verbrachte.
Nach dem Frühmahl, das aus einer Milchsuppe und Brot bestand, war Leonor dann, begleitet von guten Wünschen, nützlichen Ratschlägen, einer Wegbeschreibung zum Kloster und dem Segen des Geistlichen sowie einem Bündel mit Essen, wieder aufgebrochen.
Und nun stand sie endlich am Übergang zu dem Land, in dem der heilige Apostel Paulus seine letzte Ruhestätte gefunden hatte und an dessen Grab sie um Vergebung ihrer Sünden bitten würde.
Doch noch, so hatte der Dorfpfarrer sie gewarnt, lagen viele Hundert Meilen anstrengender, gefahrvoller Reise vor ihr. Dringend hatte er ihr deshalb anempfohlen, sofern sie sich nicht in das Kloster der Klarissen begeben wollte, sich sobald als möglich einer Pilgergruppe anzuschließen oder den Schutz einer anderen Reisegesellschaft zu suchen. Zudem hatte er noch angemerkt, es grenze an ein göttliches Wunder, dass sie als schwache Frau und noch dazu ganz allein die Gefahren der Bergwelt überstanden habe.
Was er ihr nicht gesagt hatte, war, dass in den Städten unter Menschen oftmals noch viel größere Gefahren lauerten als in der einsamen Natur.
„Attacke!“, hätte Jérôme gewiss in dieser Situation gebrüllt und sich blindlings ins Getümmel gestürzt.
Robyn war jedoch aus anderem Holz geschnitzt. Bevor er zum Schwert griff, pflegte er immer erst die Situation in Augenschein zu nehmen und sich einen Plan auszudenken.
Der Anblick, der sich ihm nun bot, bestand aus einer umgestürzten kostbaren Sänfte und zwei Raufbolden, die eine sich sträubende, prächtig gekleidete Dame mit sich zerren wollten. So schrill klangen die Hilfeschreie der Frau, dass die Tunichtgute schon beinahe von ihr abließen.
Eine Entführung, schloss Robyn. Entweder ging es darum, ein stattliches Lösegeld zu erpressen, oder aber es waren Liebeshändel mit im Spiel. Blitzschnell durchdachte er
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