Die Pilgergraefin
zurücklassen.
„Könnt Ihr denn ohne Sattel reiten, Signora? Einen Damensattel kann ich Euch leider nicht offerieren.“
Die Kurtisane verzog die vollen Lippen zu einem Schmollmund. „Zweifelt Ihr daran, dass ich aller Arten des Reitens kundig bin?“, fragte sie beleidigt.
„Nun gut denn, Signora – wie lautet überhaupt Euer Name? –, dann steigt auf mein Packpferd, und ich will Euch zum Jagdschloss des Herzogs bringen.“
Die dralle Kurtisane blickte ihn an, als habe er in der Sprache der Chinesen, von denen Marco Polo in seinen Berichten erzählt hatte, zu ihr gesprochen.
„Mein Name ist Magdalena di Parmacella. Aber wie glaubt Ihr, dass ich auf dieses riesige Ross gelangen soll? Und wie nennt Ihr Euch, Signore?“
Robyn verbiss sich ein Grinsen. Parmacella passte ausgezeichnet zu der Dame, denn sie hatte durchaus etwas von einem Parmaschinken an sich. Und der Vorname wies nur allzu deutlich auf ihr Gewerbe hin, dem auch die biblische Sünderin Magdalena nachgegangen war. „Wenn Ihr endlich von mir ablasst, Signorina Parmacella, so werde ich Euch meinen Namen nennen und Euch sogar aufs Pferd helfen.“
Endlich löste die Dame ihre tentakelhafte Umklammerung, und Robyn verneigte sich galant vor ihr, als stünde er einer Dame bei Hofe gegenüber. „Ich bin Robyn, Chevalier de Trouville, aus dem Lande der Franzosen, zu Euren Diensten, Madame.“
Magdalena versank in einen plumpen Knicks, erhob sich und erwiderte in etwas holprigem Französisch: „Nun denn, Monsieur, so führt mich zu meinem Zelter, damit wir alsbald den Jagdsitz des Herzogs erreichen.“
Robyn, der nichts davon hielt, dass man einem Pferd eine zu große Last aufbürdete, entfernte einen der Packsäcke – dessen Gewicht würde Adomar schon noch zusätzlich tragen können – und hievte die dralle Kurtisane auf den Rücken des Wallachs, auf dem sie nach diversen Anstrengungen alsbald genauso hing wie vormals der Sack. So viel zur Kunst des Reitens, dachte Robyn und unterdrückte abermals ein freches Grinsen.
Nach einem letzten Blick auf die noch ohnmächtig am Straßenrand liegenden Wegelagerer, die er außer Gefecht gesetzt hatte, schwang er sich elegant in den Sattel, um die kurze, noch vor ihm liegende Strecke zum Jagdschloss des Herzogs rasch hinter sich zu bringen und dort alsbald seine ungebetene Begleiterin loszuwerden. Gewiss gab es in der Entourage Seiner Durchlaucht Herren, die deren üppige Reize zu schätzen wussten.
Während Leonor die letzten Ausläufer der Alpen überwand, bereitete sich im fernen Freiburg der junge Advokat Nicholas auf den größten Prozess seiner noch nicht lange währenden juristischen Laufbahn vor.
Ein Adliger von hohem Rang war des Mordversuches und des heimtückischen Mordes angeklagt worden. Und ihn, Nicholas, der zwar in Bologna und Paris studiert hatte, aber kaum über praktische Erfahrung verfügte, hatte man zu einem seiner Verteidiger bestellt.
Nicholas befand sich in Hochstimmung. Dieser Prozess – je nachdem, welchen Ausgang er nahm – konnte für ihn zum Beginn einer glanzvollen Karriere werden.
Bevor er begeistert zum Federkiel griff, um sich Notizen zu machen, rief er seinen Schreiber und Ermittler Willibald und erteilte ihm einen Auftrag.
18. KAPITEL
A ngewidert wandte Leonor die Augen ab. Nach dem idyllischen Tal in den Bergen näherte sie sich nun zum ersten Mal seit langer Zeit einer Stadt. Und sogleich bot sich ihr ein grausiger Anblick: ein Galgen auf einem kleinen Hügel, nicht weit vor den Mauern der Ortschaft, an dem die sterblichen Überreste der Hingerichteten von Rabenvögeln umkreist wurden.
Am liebsten wäre sie zurückgekehrt in die Bergeinsamkeit, die ihr bis vor Kurzem noch so viel Angst eingeflößt hatte und wo sie einsam, verlassen und hungrig mühevoll einen Schritt vor den anderen getan hatte. Dort hatte sie sich nach Annas Tod nach menschlicher Nähe gesehnt. Doch nun schien es ihr, dass all dies dem Schmutz und Gestank einer Stadt bei Weitem vorzuziehen war – und den Grausamkeiten deren Bewohner.
Indes musste sie neue Wegzehrung erwerben, ebenso ein Paar neue Schuhe, und zudem hoffte sie, in der Stadt eine Wallfahrergruppe zu finden, unter deren Schutz sie bis nach Rom weiterziehen konnte. Aber würde man sie und den Hund akzeptieren? Sich von Tarras zu trennen, konnte sie sich nicht vorstellen. Und so näherte sie sich, das treue Tier an ihrer Seite, der Stadt, kurz bevor die Tore zur Nacht geschlossen wurden.
Vor den Mauern hockte eine
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