Die Pilgerin von Montserrat
hinein!«
Vorsichtig führten sie die Tiere in den Wald. Dornen rissen an Teresas Mantel, zerkratzten ihr die Hände. Schließlich gelangten sie zu einer Gruppe von Bäumen, hinter der sie sich verbargen. Auf dem bleichen Pfad tauchten drei Gestalten auf, die ihre Pferde hinter sich her führten. Auf ihrer Höhe blieben sie stehen und schauten zu ihnen herüber. Teresa glaubte, das Herz müsse ihr stehen bleiben. Sie streichelte vorsichtig die Nüstern ihres Tieres, damit es sie nicht durch ein Schnauben verriet.
Ein paar Augenblicke später zogen die Männer weiter. Als sieaußer Sichtweite waren, arbeiteten Teresa und Markus sich langsam bis zum Weg vor. Endlos lang ging es hinab. Teresa musste daran denken, wie sie mit ihrem Vater den Weg zum Kloster Montserrat hinaufgeklettert war. Sie waren von vielen Hoffnungen beflügelt gewesen und hatten nicht geahnt, dass es derart enden würde. Wie damals rutschten sie auch jetzt mehrmals aus und mussten ständig aufpassen, nicht in eine Schlucht oder in einen Graben zu stürzen.
Endlich waren sie am Fuß des Berges angelangt. Teresa war so müde, dass sie sich am liebsten auf der Stelle hingelegt und geschlafen hätte. Ihr brummte immer noch der Kopf von den merkwürdigen Ingredienzien. Markus aber duldete keinen Aufschub. Er fürchtete, dass mehr Verfolger kommen würden, sobald sie bemerkten, dass sie nicht mehr auf der Burg waren.
So ritten sie weiter, bis der Morgen dämmerte. Je weiter sie hinunter in die Ebene kamen, desto mehr wichen Schnee und Eis zurück. Es wurde wärmer. Tau glänzte an den welken Gräsern und Büschen, das Tal des Llobregat dampfte wie ein Badehaus nach dem Aufguss. Teresa spürte ihren Körper nicht mehr, er war wie abgestorben. Ihre Augen brannten vor Müdigkeit und Anstrengung. Endlich erreichten sie die ersten Häuser von Barcelona. Die Gesichter der Menschen, die Gefährte mit den Ochsen und Eseln, das Treiben auf den Märkten flogen an Teresas Augen vorüber wie tanzende Derwische. Der Boden, über den sie ritten, war aufgeweicht; es stank in allen Gassen. Teresa war froh, als sie am Hafen waren. Große Schiffe aus aller Welt lagen dort vor Anker, Galeonen, Galeassen und kleinere, wendige Fischerboote. Auf dem Kai lagen tote Muscheln und Fischschuppen. Sie quartierten sich in zwei Kammern ein, die ihnen von einer nach Tran riechenden, schnurrbärtigen Señora angeboten worden waren. Teresa sank auf die Matratze wie eine Tote.
28.
Es klopfte an die Tür. Schlaftrunken fuhr Teresa auf, sprang aus dem Bett, warf sich ihren Mantel über und öffnete. Markus stand draußen und grinste sie an.
»Ich will dich zum Frühstück abholen«, sagte er.
»Warte einen Moment, ich ziehe mich schnell an«, antwortete sie.
Draußen empfing sie ein spiegelblanker Himmel und recht warmer Sonnenschein. Die Masten der Schiffe ragten wie die Spieße einer Armee in die Höhe. Blau gekleidete Seeleute eilten hin und her, Flaschenzüge rasselten, Zimmerer hämmerten, Hausfrauen mit bunten Hauben kauften Fische bei den Händlern, ein paar Betrunkene schliefen den Rausch der letzten Nacht aus, und vom Meer her fuhren Fischerboote in den Hafen ein. Ein Mann schlug einen rosigen Kraken ein ums andere Mal auf eine Mauer, wohl um ihn genießbarer zu machen. Markus führte Teresa zu einer der Garküchen, wo sie Fladenbrote mit gehacktem Fleisch und Zwiebeln sowie zwei Becher heißen Würzweins erstanden. Sie setzten sich an den Holztisch, der vor dem Laden stand.
»Eigentlich dürften wir uns nicht in der Öffentlichkeit zeigen«, meinte Markus und biss herzhaft in sein Brot.
»Wir sollten uns tarnen, wie schon einmal. Bloß – wie tarnt man sich am besten in einer solchen Stadt, und welche Tarnung wäre nicht so leicht durchschaubar?«
»Ich hab’s!« Markus’ Augen weiteten sich. »Wir kaufen uns Fischerkleidung, damit fallen wir am wenigsten auf. Du kriegst eine Haube, ich einen Hut.«
Teresa trank einen Schluck Wein und biss ebenfalls in ihr Brot. Merkwürdig, so schlimm die Dinge waren, die passierten, den Appetit hatte es ihr noch nie verschlagen.
»Einverstanden.« Teresa sah sich vorsichtig um, ob niemand zu sehr in der Nähe stand. »Von meinem Vater«, ihre Augen wurden feucht, »sind noch so viele Golddukaten übrig, dass es für eine Schiffsreise und einige Monate zum Leben reichen würde.«
»Dann brauchen wir uns darüber zumindest keine Sorgen zu machen. Was hast du vor?«
»Ich möchte in die Kathedrale gehen und die Jungfrau Maria um
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