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Die Pilgerin von Montserrat

Die Pilgerin von Montserrat

Titel: Die Pilgerin von Montserrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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bald mussten sie diese Insel des Lichts wieder verlassen.
    Teresa hatte sich mittlerweile so sehr an den Alltag an Bord gewöhnt, dass sie ihn nicht mehr missen wollte. In der Frühe stand sie auf und nahm das erste Mahl des Tages zusammen mit dem Kapitän und den anderen Passagieren ein. Der Papagei mit Namen Molly war immer dabei. Manchmal schnappte er Worte auf und wiederholte sie plappernd. Sein neuestes war: Kalinichta – »gute Nacht« auf Griechisch oder Menora, wie Teresa mit einem heißen Stich im Magen bemerkte. Wer hatte dieses Wort verwendet? Sie musste es herausfinden. Gegen Mittag, nachdem sie gelesen und geschrieben hatte, half sie bei der Zubereitung des Essens und stieg dann hinauf. Der Spanier Peres stand allein an der Reling und schaute übers Meer.
    »Olà, Señorita«, sagte er, als sie herankam. »Olà, olà«, krächzte es aus dem Käfig, der nicht weit von ihnen stand.
    »Wir werden bald Zypern erreichen, die Insel der Aphrodite«, meinte Peres und musterte sie.
    In seine Augen trat ein lüsterner Ausdruck, wie immer, wenn er ihrer ansichtig wurde.
    »Ach ja? Was war denn mit Aphrodite und der Insel?«
    »Sie wurde im Meer geboren, war eine Schaumgeborene«, gab Peres zur Antwort.
    »Schaum, Schaum, Schaum«, krächzte der Papagei.
    Peres schien erfreut, mit seinem Wissen glänzen zu können.
    »Aphrodite ist die griechische Göttin der Liebe und der Schönheit«, sagte er und sah ihr tief in die Augen. »Sie war die Tochter von Zeus und Dione, wurde in einer Muschel geboren und entstieg im Süden von Zypern dem Meer. Aphrodite hatte viele Liebhaber und ebenso viele Kinder, fast jedes von einem anderen Mann.«
    Was sollte dieses Geschwätz? War es eine versteckte Liebeswerbung, oder wollte er sie – wie schon so oft zuvor – nur nach dem Ziel ihrer Reise aushorchen? Teresa beschloss, das Spiel ein wenig mitzuspielen. Vielleicht erfuhr sie dann etwas mehr über seine Absichten.
    »Es soll auf Zypern ein Bad der Aphrodite geben«, sagte sie.
    »Ein wunderschöner, verwunschener Platz für Liebende«, ergänzte der Spanier. Während er das sagte, rückte er näher an Teresa heran. Sie wich unmerklich zur Seite.
    »Dort traf sie sich mit ihren Gespielen«, sagte Peres. »Sie badeten, spielten Fangen und bereiteten sich gegenseitig die höchste Lust.« Er legte seine pummelige Hand auf Teresas Arm. Sie ließ ihn gewähren.
    »Was geht hier vor?«, ertönte eine scharfe Stimme. Teresa fuhr herum. Markus stand hinter ihr, mit zorngerötetem Gesicht.
    »Die Señorita von Wildenberg und ich unterhalten uns ein wenig über die Schönheiten Zyperns«, versetzte Peres. Vom Deckaufbau her kam ein Kreischen, das sich schnell näherte. Ach du mein Güte, das waren die dicke Rosina Peres und ihre vorlauten Kinder!
    »Ich wittere eine Fährte«, raunte Peres Teresa noch zu, bevor er ihren Arm losließ und seiner Familie entgegeneilte, so schnell ihn seine kurzen Beine trugen.
    »Was hast du mit diesem Fettkloß zu schaffen?« Markus schaute sie düster an.
    »Er ist eigentlich ganz nett«, verteidigte Teresa sich. »Nur … ich glaube immer noch, dass er mich aushorchen will.«
    »Dann gib dich nicht mehr mit ihm ab!«
    »Das werde ich wohl noch selber entscheiden dürfen, mit wem ich spreche und mit wem nicht«, gab sie bissig zurück.
    Er fasste sie am Arm, so fest, dass es weh tat.
    »Las mich los, du tust mir weh«, sagte sie.
    »Es soll dir wehtun. Teresa, vergiss nicht, in welcher Mission wir unterwegs sind und in welcher Gefahr wir nach wie vor schweben.«
    »Du hättest ja nicht mitzukommen brauchen.«
    »Teresa …« Markus schüttelte den Kopf, als wundere er sich über so viel Starrsinn. »Teresa, sei vernünftig. Es darf niemand erfahren, warum wir diese Reise angetreten haben.« Er wechselte das Thema. »Wenn wir auf Zypern angekommen sind, möchte ich mit dir einen Ritt über die Insel machen. Wir liegen zwei Tage dort, hat der Kapitän gesagt.«
    »… der Kapitän gesagt«, echote der Papagei.
    Teresa hatte ihn völlig vergessen. »Ja«, sagte sie, weicher geworden, »das möchte ich auch.«
    Einige Stunden später kam die Insel Zypern in Sicht, mit dem mächtigen Toodros-Gebirge, weißen Stränden und kleinen Buchten. Bald fuhr das Schiff in den Hafen von Nea Paphos ein. Ein teilweise zerstörtes Kastell stand auf einem Landvorsprung. Von der Stadt her wehten Gerüche nach Kloake herüber, aber auch nach Ingwer und Orangen. Am nächsten Tag liehen sich Markus und Teresa zwei Pferde und

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