Die Pilgerin von Montserrat
ritten zur Akamas-Halbinsel hinüber. Sie kamen an einsamen Klöstern vorbei, querten karge Hochflächen, von denen aus sie tief unten das Meer schimmern sahen, und schauten sich verlassene Kirchen und alte Ölmühlen an.
Manchmal sah Teresa winzige Alpenveilchen in Felsspalten; viel zu früh hatten sie in der warmen Luft ihre Blüten geöffnet. Das Badder Aphrodite fanden sie nur mit Hilfe eines Hirtenjungen, der ihnen vorauskletterte. Mit einem vielsagenden Grinsen ließ er sie dort allein, nicht ohne vorher die Hand aufgehalten zu haben. Der Platz war sehr verwunschen und selbst jetzt im Winter grün, mit Efeu, Feigenbäumen und Moosen bewachsen.
Hoffentlich dachte Markus nicht daran, sie jetzt zu küssen. Und doch wünschte Teresa es sich. Nichts geschah, eine merkwürdige Stille war zwischen sie getreten, die sich erst auflöste, als sie die Pferde bestiegen und weiterritten. Zum Meer hin veränderte sich die Landschaft. Orangenbäume säumten den Weg, die gleichzeitig blühten und saftige Früchte trugen. Viele der Früchte waren herabgefallen, zerplatzt und verströmten einen süßherben Duft.
Schließlich gelangten sie an einen Strand, der sich bis zum Horizont auszudehnen schien. Teresa hatte den Geruch nach Ziegenmist und Olivenholzfeuer in der Nase. Der Himmel war ohne Wolken, die fernen Berge schoben sich wie Riesenfische in den Dunst des Meeres, am Strand sammelte sich Gischt. Die Farbe des Wassers spielte vom durchsichtig Blauen ins Türkise, je weiter Teresa schaute. Der Sand war warm und mit Muscheln durchsetzt. Kein Mensch war weit und breit zu sehen. Als hätten sie sich verabredet, setzten beide sich gleichzeitig nieder. Sie nahmen sich in die Arme, ihre Gesichter näherten sich einander. Ein langer Kuss, der Teresa die Umgebung vergessen ließ. Markus’ Mund wurde fordernder. Er berührte den Ausschnitt ihres Kleides und nestelte daran herum. Mit einem Mal kam Teresa zur Besinnung.
»Wir sollten das nicht tun«, sagte sie leise.
Auf dem Rückweg sprachen sie wenig miteinander. Es war eine Spannung aufgekommen, die Teresa schon immer gespürt hatte, die nun aber vollends aufgebrochen war. Sie beschloss, sich nicht mehr in solche Situationen zu begeben, das machte sie nur unglücklich.
Schließlich erreichten sie Jaffa, den geschäftigen Hafen des Heiligen Landes, das Ende ihrer langen Fahrt auf dem Meer. Es sei derHafen, der im Jahr 1100 von Gottfried von Bouillon befestigt wurde, erklärte Kolumban, und in den die Zedern des Libanon geflößt wurden, ehe man sie nach Jerusalem zum Bau des Tempels transportierte.
Ob er einen Gelehrten oder Rabbi namens Saloman kenne, fragte Teresa, der in der Nähe des Felsendoms wohnen solle. Ja, meinte Kolumban und nannte ihnen eine Adresse, mit dem habe er schon Schriftverkehr und auch sonst zu tun gehabt. Aber sie sollten sich vor dem Spanier in Acht nehmen. Teresa fiel es nicht leicht, von dem Schiff, der Besatzung, den Passagieren, dem Papagei und den liebgewordenen Gewohnheiten Abschied zu nehmen. Das Heilige Land empfing sie mit einem seidenblauen Himmel. Die Moscheen, Minarette, Synagogen, Mauern und Türme der Stadt ragten in einem gelblichen Ton vor ihr auf. Sie wirkten, als würden sie mit der Wüste und den Bergen verschmelzen, die sich zwischen die Hafenstadt und Jerusalem schoben.
Als sie festen Boden unter den Füßen und sich von allen verabschiedet hatte, machte Teresa sich zusammen mit Markus auf, um eine Reit- oder Fahrgelegenheit in die Hauptstadt zu suchen. Bald wurden sie mit einem Araber handelseinig und ritten auf zwei Eseln aus dem Tor hinaus nach Osten. Zunächst durchquerten sie eine grüne Ebene mit Dattelpalmen und Orangebäumen. Danach ging es hinauf in die Judäischen Berge, die bis auf einige Täler mit klaren Bächen und immergrünen Büschen kahl waren. Die Sonne brannte auf sie herab. Die beiden hatten ihre Fischerkleidung mit den Pilgersachen vertauscht, weil sie sich als Wallfahrer ausgeben wollten.
Am Abend sahen sie Jerusalem auf einer Anhöhe liegen. Unzählige, aus bräunlichem Gestein erbaute Häuser drängten sich um den Felsendom, der etwas erhöht auf einem flachen Hügel stand. Die untergehende Sonne ließ das Gold seines Kuppeldaches leuchten. Minarette streckten ihre schlanken Türme in den verblassenden Himmel, daneben drängten sich Synagogen und christliche Kirchen. In den Straßen und Gassen wimmelte es von Menschen aus aller Herren Länder. Die Stadt hallte wider von Geräuschen, vomHämmern der
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