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Die Pilgerin von Montserrat

Die Pilgerin von Montserrat

Titel: Die Pilgerin von Montserrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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sich an Teresa, »dürft Ihr Euch ruhig als Frau zu erkennen geben. Wir sind Besuche von Pilgerinnen gewohnt. Ich werde Anweisung geben, Euch eine eigene Zelle zur Verfügung zu stellen.«
    Nach dem Mittagessen zogen sich alle auf ihre Zellen zurück. Teresa dachte über die Geschichte des Bruder Gari nach. Ob es Markus mit ihr ähnlich ergangen war? Hatte er befürchtet, den Einflüsterungen des Teufels zu erliegen, wenn er sich ihr, Teresa, näherte? Was hatte ihn bewogen, von ihr wegzugehen? War es wirklich nur der Streit um die Suche nach dem Kandelaber gewesen, oder lag er auch mit sich selbst im Widerstreit?
    Nach der Mittagsruhe begaben sich Teresa, Froben und der Abt durch den Kreuzgang zur Kirche. Der Himmel hatte sich inzwischen bezogen, es begann zu schneien. Von Westen her kam ein Wind auf und blies die Flocken vor sich her. Der Boden war mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Im düsteren Schiff der kleinen Kirche kniete ein Mann allein vor einem geschnitzten Altar und betete. Der Abt wartete, bis er aufstand, und trat auf ihn zu.
    »Bruder Gabriel, ich habe dir zwei Gäste mitgebracht. Sie suchen nach den Spuren eines Ritters, der vor langen Jahren bei uns geweilt haben soll.«
    Gabriel de Montaña war ein kräftiger, etwa vierzigjähriger Mann mit einem gestutzten Bart. Um seine Knopfaugen breitete sich ein Kranz lustiger Fältchen aus.
    »Bruder Gabriel kann Euch dabei behilflich sein, denn er ist hier bekannt als Archivar, der die Geschichte unseres Klosters besser kennt als jeder andere«, sagte der Abt.
    »Nun, alles weiß ich natürlich nicht«, wandte Gabriel ein, »aber ich weiß, wo ich nachschlagen muss. Kommt mit mir zur Bibliothek, dort werden wir sicher etwas über diesen Ritter erfahren. Ist es ein Vorfahre von Euch?«
    »Wie habt Ihr das erraten?«, wunderte sich Froben.
    »Irgendein unbekannter Ritter wird Euch sicher nicht dazu verleiten, die weite und gefahrvolle Reise aus dem Römischen Reich auf sich zu nehmen. Noch dazu mit einer Frau, Eurer Tochter, wie ich vermute.«
    »Ganz richtig«, bestätigte Froben. »Teresa hat mir wertvolle Dienste beim Abfassen unserer Familienchronik geleistet. Diese Chronik ist auch der vornehmste Grund unserer Reise.«
    »Folgt mir, meine Lieben! Mir schwant, ihr werdet das Kloster kenntnisreicher verlassen, als ihr es betreten habt.«
    Die Bibliothek mit ihren unzähligen Büchern und ihrem Geruch nach Staub, Leder und Pergament ließ Teresas Herz schneller schlagen. Sie sah vertraute Namen wie Thomas von Aquin und Hippokrates. Auch die Werke der Reformatoren wie Luther, PhilippMelanchthon und Johannes Calvin fehlten nicht. Gabriel de Montaña hieß sie auf zwei Stühlen Platz nehmen, die mit anderen um einen runden Tisch herumstanden. Er ging zielstrebig auf die längsseitige Wand zu, an der drei Fenster angebracht waren. Mit einem verschwörerischen Lächeln kam er zurück und blies den Staub vom Rücken eines Buches, das in brüchiges Kalbsleder gebunden war. Er legte es auf den Tisch und schlug es auf.
    »Ich kann nicht täglich den Staub von den Büchern entfernen«, sagte er entschuldigend. »Zu vielfältig sind die Aufgaben, die wir Mönche neben dem Beten und dem Psalmensingen haben. Ich bin gerade dabei, einen uralten griechischen Text ins Spanische zu übersetzen.«
    »Wieviele Sprachen beherrscht Ihr, Bruder Gabriel?«, wollte Froben wissen.
    »Griechisch, Latein, Deutsch, Spanisch, Französisch, Englisch, auch ein wenig Hebräisch und Ägyptisch.«
    Teresa fürchtete, die beiden könnten einen Gelehrtenaustausch allgemeiner Art anfangen. Sie fragte daher: »Was ist das für ein Buch, Bruder Gabriel? Und in welcher Sprache ist es geschrieben?«
    »Es sind die Annalen unseres Klosters; es ist in der alten katalanischen Sprache geschrieben. Wartet, ich lese Euch die Stelle vor, die für Euch von Wichtigkeit sein könnte.«
    Der Mönch befeuchtete Zeigefinger und Daumen und blätterte weiter. Die Seiten raschelten wie trockenes Laub.
    »Hier ist es. Im Jahre 1102 unseres Herrn erschien am 11. des Monats August ein Ritter namens Friedrich von Wildenberg. Er hatte ein Kind von etwa drei Monaten bei sich und bat darum, es bei uns aufzunehmen. Auf Nachfragen erzählte er, es sei das Kind von seiner verstorbenen Frau, die er in Jerusalem habe zurücklassen müssen. Nach dem großen Kreuzzug habe er Gottfried von Bouillon gedient und das Kind, einen Jungen, nach ihm benannt. Außerdem führe er eine kostbare Fracht mit sich, die er in das Kloster

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