Die Pilgerin von Montserrat
das arabische Hashishin, Haschischesser, zurück. Begründet wurde die Bewegung von Hasan-i-Sabbah aus der persischen Provinz Khorassan. Hasan-i-Sabbaheroberte 1090 die Festung Alamut in den Bergen des nördlichen Iran. Fortan nannte er sich Scheich al Dschebel, der »Alte vom Berge«. Da er über großes militärisches Geschick verfügte, war er auch als Feldherr erfolgreich. Er eroberte Städte und Festungen und drang bis nach Syrien vor. In Persien selbst legte er zahlreiche Stützpunkte an. Auf seine Untergebenen konnte er sich blind verlassen. Sie waren ihm absolut ergeben und bereit dazu, alle ihnen gegebene Befehle auszuführen, ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben. Der Alte vom Berge versprach seinen Anhängern den Eintritt ins Paradies. Er ließ nahe der Burg Alamut einen herrlichen Garten anlegen. Dorthin wurden die Männer, die in den Geheimbund der Assassinen aufgenommen werden sollten, geführt. Vor Betreten des »Paradieses« wurden die jungen Männer in einen Haschischrausch versetzt.
Als Marco Polo gegen Ende des 13. Jahrhunderts aus China zurückkehrte, berichtete er über Begegnungen mit Assassinen in Persien. Zwischen »zwei Bergen« habe er einen »wunderschönen Garten« gesehen. Er sei nur den Mitgliedern des Geheimbundes bekannt gewesen. Eine mächtige Burg am Eingang habe verhindert, dass Reisende zufällig in die herrlichen Anlagen hätten eindringen können. Sie seien dem Paradies, so wie es Mohammed beschrieben habe, nachempfunden gewesen. Marco Polo schrieb: »Darin befanden sich alle Früchte und die schönsten Paläste der Welt. Es gab auch Kanäle. Aus einem strömte Wasser, aus einem anderen Honig, aus einem anderen Wein. Dort waren die reizvollsten Frauen der Welt. Der Alte vom Berg versammelte bis zu 40 000 Anhänger um sich. Absoluter Gehorsam war Bedingung. Der Scheich erteilte immer wieder Mordaufträge, die von seinen Anhängern, mit Dolch oder Gift, ausgeführt wurden.
Anno 1124 starb der Scheich im Alter von 90 Jahren. Streitigkeiten um die wahre Lehre entbrannten, es entstanden Splittergruppen. Die neuen Herrscher, die Mongolen, zerschlugen die Glaubensgemeinschaften der Assassinen. Dennoch überlebten sie in abgelegenen Gebieten. Sie sahen die Schöpfung als eine »Kette mit siebenGliedern« an. Jeder Mensch könne sich spirituell weiterentwickeln. Sieben Stufen müssen auf dem Weg zu Gott durchlaufen werden. Auf der höchsten Stufe wird das Geheimnis aller Geheimnisse offenbart: Zwischen Himmel und Hölle gibt es keinen Unterschied. Das Tun und Lassen des Menschen wird als sinnlos erachtet. Einzig und allein der Gehorsam gegenüber dem religiösen Führer zählt, um ins Paradies zu kommen.
Merkwürdig, dachte Teresa, das habe ich doch schon einmal gehört. Gott und Teufel sind eins, das war die Lehre der Katharer. Sie überblätterte die folgenden Seiten, aber es wurde nicht mehr weiter über die Assassinen berichtet, sondern über andere religiöse Gruppen wie die Sufi und die »tanzenden Derwische«. Die Tür zur Bibliothek klappte, und Teresa fuhr herum. Bruder Gabriel näherte sich ihr mit seinem leicht belustigtem Lächeln.
»Ah, Ihr habt das Buch über die Assassinen gefunden«, sagte er. »Darin braucht Ihr nicht weiterzulesen, es ist nur ein Kapitel, das die Gruppe beschreibt.«
»Könnt Ihr mir sagen, was sie mit den Tempelrittern zu tun hatten?«
Draußen prasselten immer noch Graupel und Regen gegen die Mauern. Bruder Gabriel setzte sich ihr gegenüber.
»Ihr kennt ja die Geschichte des ersten Kreuzzuges«, sagte er. »Euer Vorfahre hat die Reise nach Jerusalem hinlänglich beschrieben. An diesem denkwürdigen 15. Juli 1099 fiel Jerusalem, nach Jahrhunderten moslemischer Herrschaft, wieder an die Christen. Die meisten Kreuzritter wollten so schnell wie möglich nach Hause, nur wenige waren dorthin gekommen, um sich auf Dauer niederzulassen. Jedes Jahr trafen nun Abenteurer ein, die bewaffnete Pilgerfahrten unternahmen. Die Häfen waren wieder in christlicher Hand, und so konnten sich die Kreuzfahrer bequem ins Heilige Land einschiffen, anstatt den schwierigen und gefährlichen Weg über Land zu nehmen. Aber es lauerten weiterhin große Gefahren. Insbesondere die Berge zwischen der Hafenstadt Jaffa und Jerusalem boten Räubern Unterschlupf, so dass sich die Pilger nurnoch mit schwerbewaffneten Eskorten auf den Weg machen konnten. Hugo von Payens, ein Edelmann aus der Champagne, beschloss, Abhilfe zu schaffen und einen militärischen Bund zu gründen, der
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