Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
Brust hielt und ebenfalls den Männern zuschaute, meinte:
»Im Rücken werden wir wohl durch den Sumpf gedeckt, hoffentlich. Es ist viel schlimmer als befürchtet. Kilidj Arslan hat nicht nur aus seinen östlichsten Gebieten seine Krieger geholt. Er hat sich mit den anderen türkischen Emiren gegen uns verbündet. Tatikios mit der abgeschnittenen Nase hat die kappadokischen Türken und die Danischmandiden, ja, sogar Krieger aus Persien an ihren Feldzeichen erkannt. Sie sind 360.000 Mann.«
Alice sah die Frau ratlos und verzweifelt an.
»Hol dein Pferd und bring es ins Lager«, riet ihr Maria.
Alice machte sich mit vielen Nichtkämpfenden auf, die Pferde ins Lager zu treiben, die noch friedlich schlafend auf den Wiesen standen oder grasend umherliefen. Sie machte sich bittere Vorwürfe, dass sie so feige gewesen war und es nicht gewagt hatte, Bohemund anzusprechen.
Die Angst schnürte ihr die Kehle zu.
Wenn Alice auch die Zahl 360.000 für übertrieben hielt, so viele konnten es unmöglich sein, so war eines sicher: Das türkische Heer war ihnen weit überlegen.
Sie waren nichts als ein verzweifelter Haufen.
Mit allen Frauen, Kindern und den nicht kämpfenden Männern wurde Alice ins Lager befohlen. Kaum Platz war vorhanden, um schützende Zelte aufzubauen. Die durch die Wagenburg begrenzte Wiese, voll gepfropft mit Kühen, Schafen, Pferden, Hunden und Menschen, ließ sie schon jetzt Furchtbares erahnen. Alice bekreuzigte sich. Sie versuchte, sich Trost zuzusprechen, indem sie an die Toten dachte, mit denen sie noch heute vereint werden würde, wenn sie ums Leben käme: ihre Mutter und ihr Vater, ihre Großeltern und Martins Mutter Martha und überhaupt alle Menschen, die bisher um sie herum gestorben waren. Diese Gedanken halfen nur wenig.
Um die zweite Stunde meldeten die Kundschafter, das feindliche Heer sei im Anmarsch.
Alice sah es mit Erleichterung: Bohemund schickte endlich Boten zu den Heeren Herzog Gottfrieds und Graf Raimonds von Toulouse. Sie fragte sich nur bang, ob die noch rechtzeitig kämen.
Die Bogenschützen bezogen Stellung. Sie hatten Befehl, das Lager zu verteidigen.
Die im Lager zurückblieben, blickten auf Bohemund, wie er sich mit Tankred, Robert von der Normandie und Stephan de Blois an der Spitze seiner Ritter in den Kampf begab. An Tankreds Seite ritt sein jüngerer Bruder Wilhelm und jeder konnte sehen, wie stolz der Jüngling war, seine Lanze mit dem Banner in die Schlacht zu tragen. Draußen vor dem schützenden Lager erwarteten die Ritter in geschlossener Kampfstellung die Feinde.
Als die Erde erzitterte von den Tausenden von Hufen, die türkischen Heere die Hügel hinabstürmten und ihren Schlachtruf ausstießen, wie ihn so entsetzlich niemand zuvor gehört hatte, setzten sich die Ritter zum Kampf in Bewegung.
Alice zuckte von dem gellenden lauten Schrei zusammen. Die Kinder hielten sich die Ohren zu. Die Kleinen auf dem Arm ihrer Mütter fingen an zu weinen. Die Mütter sprachen beruhigend auf ihre Kinder ein, Bohemund und die Ritter würden die Feinde besiegen, ganz sicher. »Im Lager kann uns nichts passieren.«
Sie verstummten vor Entsetzen. Es wurde still. Die Türken näherten sich nicht zum Kampf Mann gegen Mann. In sicherem Abstand blieben sie stehen und schossen aus einer unglaublichen Entfernung ihre spitzen, todbringenden Pfeile ab. Der Himmel verfinsterte sich, ein Gesurre, ein Gesause, ein Treffen. Männer schrien auf, Pferde wieherten in Todesangst. Pfeile über Pfeile.
Dann – Pferdegestampfe, in rasendem Tempo entfernten sich die feindlichen Reiter. Alice vermutete, sie hätten ihre Pfeile verschossen, und atmete auf.
Da – von den Hügeln herab das Donnern der Hufe, Tausende und Abertausende mochten es sein. Und wieder Pfeile, dass kein Regen, kein Hagel dichter hätte sein können. Der Himmel war schwarz.
Das Schreien der Männer, ihrer Pferde, nur jetzt näher, immer näher. Bohemund war mit seinen Rittern gar nicht zum Kampf gekommen. Die Türken wollten nicht kämpfen. Sie zogen sich zurück, um wiederum aus unfassbaren Entfernungen Pfeile abzuschießen.
Ein Pfeilregen jagte den nächsten. Die Ritter flohen zum Lager. Alice konnte sie durch die Lücken beim Tross sehen, wie sie sich vereinzelt, versprengt, viele zu Fuß und verwundet, vor den Pfeilen retten wollten.
Aber Rettung gab es nicht, auch nicht im Lager, das Bohemund nicht schützen könnte, das die feindlichen Krieger gewiss stürmen würden.
Alice verlor die Hoffnung. Die Männer
Weitere Kostenlose Bücher