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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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sich dem Heer Gottfrieds von Bouillon anzuschließen.
    Der Jubel war bei den meisten Zurückbleibenden schnell verflogen. Der Schmerz der Trennung ließ viele der Frauen und Kinder weinen, die ihre Männer, Söhne und Brüder und einige auch ihre Schwestern in eine ungewisse Zukunft davonziehen sahen. Bedrückend war schon jetzt der Gedanke an das eigene Leben, denn jeder hatte seinem Verwandten mitgegeben, was immer nur irgend entbehrlich schien. So hatte die Passauer bereits die Sorge ums Überleben gepackt, kaum dass die Kreuzfahrer gerade erst den Augen entschwunden waren.

    Alice blieb einsam zurück.
    Einsam? Sie erschrak, als sie sich umdrehte und den Abt neben dem steinernen Löwen beim Eingangsportal des Doms stehen sah. Er blickte wie selbst versteinert den Pilgern nach. Warum wirkte er traurig, warum gestattete er sich eine so melancholische Verzärtelung?
    Unsinn, er triumphierte, der Papst, die Kirche hatten gesiegt, so viele junge Männer aus Passau und den umliegenden Dörfern hatten sich aufgemacht, meist die zweiten und dritten Söhne von Handwerkern, Krämern, Kaufleuten oder Bauern.
    Alice sah scheel zu dem Abt herüber, der sie seinerseits nun sehr offen anschaute und zu ihr hinüberkam.
    »Dein Vater hat letzte Nacht mit mir über deine Zukunft gesprochen. Du sollst wissen, aus der Sicht der Kirche steht einer Pilgerfahrt nichts entgegen. Wenn du willst, nimm das Kreuz und mache dich mit deinem Vater auf nach Jerusalem.«
    Alice sah ihn erstaunt an. Von dem Abt hätte sie am wenigsten Hilfe erwartet. Gleichwohl, von diesem Mann wollte sie nichts über ihr weiteres Schicksal hören. Der Abt bemerkte ihre abwehrende Handbewegung.
    »Du hast Martin sehr lange nachgeblickt und er hat sich zum Schluss auch nach dir umgesehen.«
    Das geht dich nichts an, dachte Alice. Schrecklich, auch noch bei der Trennung beobachtet zu werden.
    »Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden«, bemerkte er im Gehen.
    Zusammengefügt? Als würden sie heiraten?
    Alice richtete sich hoch auf. Wie konnte dieser Mann eine so unverschämte Behauptung aufstellen. Niemand wusste besser als er, dass eine Ehe vollkommen ausgeschlossen war. Die ständische Ordnung war gottgewollt und es war Frevel, gegen sie zu verstoßen. Sie war die Herrin – und Martin war der Knecht – und zwischen diesen Ständen gab es keine Brücke.
    Wie hasste sie diesen Mann, der sich da in seiner schwarzen Kutte langsam entfernte. Alles zerstörte er, vor nichts hatte er Achtung, nichts war ihm heilig, weder die göttliche noch die weltliche Ordnung. Ihr Kaufmannshaus, das Geschäft ihres Vaters, ihr Vermögen, alles ging verloren, um diesen Kreuzzug zu bezahlen – von Sünde war die Rede und ihr Vater verlor die Selbstachtung, die Würde, die er immer besessen hatte. Sie selber war ratlos und hilflos, wusste nicht, wie und wo dieses Jahr zu Ende gehen sollte. Nichts war sicher. Niemals hätte sie erwartet, einer vollkommen ungewissen Zukunft entgegenzugehen.
    Und nun wollte ihr Vater sie auch noch an irgendeinen vollkommen unbekannten Menschen verheiraten! Auch wenn es üblich war – es blieb schrecklich, jemanden zu ehelichen, während sich Martin mit den Kreuzrittern auf den Weg nach Jerusalem gemacht hatte.
    Mich verlassen hat, dachte sie und verbesserte sich sofort. Verlassen hat, wie ein Bruder, der seine Schwester verlässt. Doch insgeheim fühlte sie, dass ihr Gefühl für Martin nicht ganz so eindeutig geschwisterlich war. Dieses Ekel, dieser Abt, wie konnte er den Gedanken nur in ihr Herz pflanzen, sie könnte jemals mit Martin als seine Frau verbunden sein. Und doch hatte er irgendwie auch recht. Sie waren schon seit jeher zusammengefügt. Am selben Tag geboren, hatte Alice’ Mutter entschieden, dass Martins Mutter das Mädchen stillen sollte. Sie selbst hielt sich als reiche Kaufmannsfrau von solchen Pflichten fern. Und so stand es natürlich nach ihrem Tode fest, dass Alice von Martha versorgt wurde. Alles lernten sie zusammen – und doch blieb Martin der Knecht. Welch ein Irrglaube, er könnte etwas anderes sein. Und doch war er es, der hier heute Morgen siegesbewusst aufbrach, in neuem Gewand, das natürlich der Abt ihm geschenkt hatte. Er, Martin, war es, der sich wie ein Herr ihr gegenüber benahm. Würde er sich überhaupt freuen, wenn sie ihn in einigen Tagen an der ungarischen Grenze treffen würde? Wäre es ihm recht, wenn nicht nur ihr Vater, sondern auch sie mit dem Heer Gottfrieds von Bouillon den

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