Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
Bediensteten und Frauen und Kinder, welch eine Menge von Fäkalien würde das ergeben. Widerlich – und sie da mitten drin. Alice schüttelte sich, sie musste unbedingt an etwas anderes denken.
Der Abt hatte diese sonderbaren Worte gesagt:
›Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.‹ Es klang nun anders als noch vor wenigen Stunden. Nicht mehr wie ein Bündnis der Ehe. Aber wie? Martin erschien ihr jetzt schon fern. Wahrscheinlich war er trotz des Regens stolz, dass er zu den Kreuzfahrern gehörte. Vielleicht war es ihm nicht recht, wenn sie in einigen Tagen nachkam. Er erwartete schließlich nur ihren Vater, seinen Herrn, als dessen Knecht er diese Pilgerfahrt antrat. Und trotzdem war er mehr als nur ein Knecht, weil er, wenn auch unbewaffnet, ein Kämpfer Jesu Christi war. Und möglicherweise gelang es ihm, sich ein Schwert zu beschaffen und zu den bewaffneten Kreuzfahrern zu gehören und zu kämpfen. Sicher konnte er besser mit einem Schwert umgehen als ihr Vater Karl – jedenfalls war das anzunehmen.
Sie seufzte – und zuckte zusammen, denn es klopfte sehr eindringlich an ihrer Tür.
Alice schob den Riegel beiseite und hielt sich vor Schrecken die Hand vor den Mund – der Abt!
Er stand wirklich vor der Tür. Zuerst dachte sie: Der schwarze Tod. Dann hörte sie eine freundliche Stimme, die sie bisher an ihm noch nicht kannte, mit der Bitte, hereinkommen zu dürfen. Alice nickte ihm zu und er schloss hinter sich die Tür, was sie zum Erschrecken brachte. Denn als er sich ihr zuwandte, erkannte sie in ihm nicht den Geistlichen, sondern den Mann. Es fiel ihr wiederum auf, wie schön und stark er war. Das verwirrte sie noch mehr und sie vermutete fast, dass er den Preis dafür fordern wollte, dass ihre Mitgift nicht verpfändet wurde. Der Abt schien ihre Befürchtung zu ahnen.
Er sagte: »Ich komme in guter Absicht.«
Alice fühlte sich etwas ihrer Sorge enthoben, sah ihn aber noch immer misstrauisch an.
»Ein Kreuzzug bedeutet Gefahr. Dessen sind sich auch alle bewusst. Ich möchte, dass du die Möglichkeit hast zu überleben. Natürlich liegt unser Leben in Gottes Hand und niemand weiß, wer auf der weiten Pilgerfahrt sterben wird. Wer schreiben kann, wer Besitz zu vererben hat, hat deswegen auch sein Testament gemacht.«
Er machte eine Pause und Alice überlegte: Worauf will er eigentlich hinaus?
»Geld bedeutet Leben.« Mit diesen Worten holte er aus dem Ärmel seiner Kutte einen schwarzen Lederbeutel hervor und öffnete ihn. Alice sah Geld, Passauer Silberpfennige.
»Die kannst du überall umtauschen«, erläuterte er. Alice wollte danach greifen, doch er zog den Beutel zurück und verschloss ihn im gleichen Augenblick.
»Das Geld ist an eine Bedingung geknüpft. Du musst mir schwören bei der Mutter Maria, dass du niemals und unter keinen Umständen von diesem Geld deinem Vater auch nur eine Münze gibst.«
Alice blieb die Luft weg.
»Das kann ich nicht. Mein Vater könnte in Lebensgefahr sein und da bin ich verpflichtet, ihm zu helfen. Ich verstieße gegen das 4. Gebot: Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren …«
»Du ehrst deine Mutter, indem du deinem Vater nichts gibst.«
Er erwiderte auf ihren zweifelnden Blick: »Ich kann und will dazu nichts mehr sagen. Frage deinen Vater.«
»Es ziemt sich für eine Tochter nicht, solche Fragen zu stellen.«
»Natürlich«, erwiderte er. »Es bleibt jedoch dabei, entweder legst du diesen Eid ab oder ich nehme das Geld wieder mit mir.«
Das ist Erpressung, dachte Alice. Und du sagtest, du kämest in guter Absicht.
»Vielleicht kann ich dir deine Antwort etwas erleichtern. Das Geld ist für dich und Martin in gleicher Weise. Die Hälfte des Geldes gehört Martin, was du ihm allerdings nicht unbedingt verraten musst.«
Noch ein Rätsel, dachte Alice. Warum will er, dass ein Knecht, den er kaum kennt, so viel Geld erhält? Und woher hat er eigentlich das viele Geld? Er hat doch als Mönch Armut gelobt.
»Und hier habe ich noch etwas. Jetzt werdet ihr über Konstantinopel und durch feindliches Gebiet nach Jerusalem ziehen. Der Rückweg ohne das Heer als Schutz könnte dann jedoch zu gefahrvoll sein. Deswegen werdet ihr den Seeweg wählen.« Und damit zog er eine auf Leder gemalte Landkarte von Italien hervor, auf dem die Klöster eingezeichnet waren, die ihnen Unterkunft und Schutz gewähren könnten.
»Ist die Landkarte an die Bedingung gebunden?«, fragte Alice.
»Ja und nein«, antwortete der Abt. »Du
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