Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
gleichzeitig bemerkte, dass der Befehlshaber der Fußsoldaten aus dem Zelt Bohemunds trat. Also rechneten die Heerführer ebenfalls mit einem Angriff Yaghi-Siyans.
Bernhard betrat das Zelt seines Vaters ohne Anmeldung. Er fand ihn bei seinen Vorbereitungen für den Aufbruch zum Kampf.
Vater und Sohn verzichteten auf den Bruderkuss. Graf Otto von Baerheim entließ seinen Knappen mit einem Wink.
»Was führt dich ungewohnterweise zu mir?«, begann der Vater das Gespräch.
Bernhard überhörte den Vorwurf und entgegnete:
»Die bevorstehende Schlacht. Es ist damit zu rechnen, dass wir alle, die den Vorstreit reiten, den Tod finden.«
»Es ist deine Tollkühnheit, deine Ruhmsucht, deine eitle Überheblichkeit, die dich dazu treibt, immer in der ersten Reihe zu kämpfen.«
»Ich würde es anders bezeichnen, Kühnheit und Streben nach Ruhm und Unterwerfung meines Lebens für Jesus Christus.«
Der Vater machte eine abwehrende Handbewegung.
»Das klingt ja sehr edel. Tatsächlich hättest du es nicht nötig, dein Leben aufs Äußerste zu wagen, wenn du eine reiche adelige Frau geheiratet und dich nicht mit dieser Bauerntochter eingelassen hättest.«
Bernhard beobachtete, wie hässlich sein Vater den Mund verzog.
Unbeeindruckt erwiderte er: »Zu Eurer Erinnerung: Alice ist eine Kaufmannstochter, sie war die liebste Gesellschafterin Godvere di Tosnis und hat den Abt eines der bedeutendsten Klöster zum Onkel. Was aber hätte ich einer Frau des Hochadels vor dieser Pilgerfahrt zu bieten gehabt außer einem angenehmen Äußeren und ansehnlichen Manieren? Womit hätte ich sie auf mich aufmerksam gemacht? Ich habe keinen Besitz, kein Geld und schon gar kein Lehen. Meine im Kampf erworbene Ehre ist mein einziges und höchstes Gut. Das werde ich zu gegebener Zeit einzusetzen wissen. Ihr könnt sicher sein, ich werde eine schöne, reiche Frau des Adels heiraten.«
»Bis dahin hast du eine Geliebte. Oder willst du diese Alice neben deiner Ehefrau behalten?«
»Wir werden sehen. Jetzt jedenfalls erwartet Alice ein Kind von mir.«
Graf Otto von Baerheim räusperte sich.
»Da wären wir wieder beim Ausgangspunkt unseres Gespräches. Es kann durchaus möglich sein, dass ich morgen tot bin. In diesem Falle bitte ich Euch, meinen Sohn zu legitimieren und ihn als Erben anzuerkennen.«
»Ich werde niemals den Sohn einer Dirne um mich dulden, geschweige denn ihn legitimieren.«
»Wilhelm der Eroberer war auch der Sohn einer unstandesgemäßen Frau«, gab Bernhard zu bedenken.
»Das ist eine Zumutung, einen Enkel zu haben, der von einer solchen Person abstammt.«
»Ihr kennt sie nicht, Ihr überseht sie so deutlich, dass all ihre Versuche, Euch zu grüßen, scheitern.«
»Das sollen sie auch«, erwiderte Graf Otto aufgebracht. »Ich lasse mich von dieser Dirne nicht grüßen.«
Bernhard sah ein, es war zwecklos, über Alice zu streiten. Wenn er seinen Vater umstimmen wollte, so müsste er beim Kind ansetzen.
»Vater, wir haben keine andere Wahl. Unser Geschlecht wird mit Euch aussterben, wenn ich jetzt falle. Ich bin Euer einziger überlebender Sohn. Konrad ist ins Kloster gegangen und ist später am Fieber gestorben. Heinrich aber …«
»Hör auf!«
»Heinrich aber ist als Kleinkind aus dem Fenster gefallen. Ich weiß, Ihr gebt mir die Schuld. Ich aber sage, ich war es nicht. Doch sein Tod ist eine Schande für unsere Familie, die ich durch Tapferkeit auszugleichen suche, auch wenn es mich selber das Leben kostet.«
Er machte eine kurze Pause und setzte dann zum Frontalangriff an:
»Wie aber wollt Ihr nach der Eroberung Jerusalems ohne männlichen Erben vor Mutter treten?«
Der Vater wehrte ab.
Die Erinnerung an den Abschied von seiner Ehefrau war ihm mehr als unangenehm. Kein liebendes Wort, kein Kuss war ihm zuteil geworden. Zwar hatte sie sich seinem Willen gebeugt und den Sohn ziehen lassen, zwar hatte sie ihm den kostbaren Ring gegeben, den sie bis dahin ständig am Finger getragen hatte, aber nur, damit ihr Gatte sich an sein Treuegelöbnis erinnerte. Stumm hatte sie dagestanden, die Lippen zusammengepresst, während er sich vom Pferde zu ihr herunterbeugte und ihr die Wange tätschelte.
›Lasst das!‹, hatte sie kaum hörbar gezischt.
›Kein Segenswunsch?‹, hatte er erwidert. ›Wollt Ihr so Euren Gatten verabschieden, den Ihr vielleicht nie wiederseht?‹
Zu Bernhard gewandt, hatte sie dann die Worte gesprochen:
›Gott gebe euch ein gutes Wiederkehren. Gott bewahre euch.‹
Graf Otto war ganz
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