Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
nicht«, sagte Martin. »Die Witwe Fulberts wollte trotz des Bündnisses mit Gottfried nicht wieder zu uns ins christliche Lager? Sie kommt meines Wissens aus Schloss Bouillon. Es wäre ein Leichtes gewesen, dies zur Grundlage der Verhandlungen zu machen.«
Markus schüttelte den Kopf. »Nein, davon war nie die Rede.«
Martin konnte sich das kaum vorstellen, die Frau war bei der Enthauptung ihres Mannes dabei und …
Jedenfalls, dachte er beruhigt, war damit der Weg von und nach Edessa für die Christen sicherer. Dann würde Alice auf ihrem Rückweg von Edessa nicht überfallen.
»Ich muss dir noch was anderes sagen«, riss Markus ihn aus seinen Überlegungen.
»Ich habe mich eben etwas verschwommen ausgedrückt, als ich sagte, Ritter Fulbert und seine Begleiter.«
»Ja, was?«
»Zu den Begleitern gehörten auch Alice und Bernhard und ihr Kind.«
Martin starrte seinen Freund mit offenem Mund an.
»Aber«, stammelte er. »Du sagtest, alle Männer wurden enthauptet. Auch Bernhard? Was ist mit Alice?«
»Ich weiß es nicht.«
» Du weißt es nicht?«
»Nein, niemand weiß es. Natürlich habe ich Nachforschungen angestellt. Du warst zwar auch plötzlich verschwunden, aber ich habe doch gehofft und geglaubt, du würdest eines Tages wiederkommen.«
Martin saß auf seinem Diwan und es war, als würde er gänzlich in sich zusammenfallen.
Sie also auch. Alice, seines Vaters Nichte, seine Cousine also auch.
Es war ein Fluch!
*
Wie verabredet, kehrten die Fürsten Anfang November wieder nach Antiochia zurück.
Herzog Gottfried brachte die abgeschlagenen Köpfe all der Türken mit, die ihm aufgelauert und die er gefangen genommen hatte. Ihr Anblick erzeugte bei Martin Ekel, mit Mühe nur schluckte er die Galle herunter, um sich dann doch in einer Ecke zu erbrechen. Seine Umgebung schienen die Köpfe wenig zu beeindrucken, sie wurden gerade so am Rande, wenn überhaupt, wahrgenommen, denn heftig stritten die Männer und Frauen auf dem Weg zur Kathedrale des St. Peter darüber, ob die Fürsten ihr Versprechen halten und nun endlich dieses heillose Antiochia, diesen verwünschten Ort, an dem sie so unaussprechlich gelitten hatten, verlassen und nach Jerusalem weiterziehen würden.
Als sich Martin so weit erholt, das letzte bisschen Galle ausgespuckt, seinen Mund mit dem Handrücken abgewischt hatte und er sich umdrehte, kamen ihm, an Ketten zusammengebunden, Sklaven entgegen, türkische Frauen und Kinder, die Fürst Raimond von Toulouse aus Albara nach Antiochia gebracht hatte. Er hatte die Stadt vor Kurzem erobert, um einen Stützpunkt im Osten und Nahrung für sein Heer zu erhalten. Martin blieb stehen und ließ den Zug an sich vorüberziehen. Er sah in die unglücklichen, wütenden und auch abgestumpften Gesichter der Frauen, die alle sicher um ihren Mann, ihren Bruder, ihren Vater trauerten. Manche trugen Säuglinge auf dem Rücken, Kinder weinten. Die Brust war Martin wie zusammengeschnürt. Alice, dachte er, genauso wird Alice auf irgendeinem Sklavenmarkt verkauft. Keine Spur von Alice und Bernhard, nichts.
Von der Menge getrieben, erreichte Martin den Platz vor der Kathedrale des St. Petri, auf dem sich schon Tausende versammelt hatten. Die Männer in Waffen, auch die Armen, die Frauen versehen mit langen Messern, oftmals trugen sie Fackeln, obwohl es Tag war. Noch war ein allgemeines Gemurmel zu hören, kein Schreien, kein Rufen, kein Drohen. Nur überall das Wort Jerusalem und die bange Frage, ob die Fürsten ihren Streit um den Besitz Antiochias begraben und endlich nach Jerusalem weiterziehen würden.
Hoch aufgerichtet und jeden auf dem Platz überragend, erschien Bohemund, von seiner eben überstandenen Krankheit merkte man ihm allerdings nichts an. Denn wie er jetzt durch die Menge daherschritt, die ihm trotz allem heimlichen Groll ehrfurchtsvoll Platz machte, da war jedem klar, um jeden Preis, auch um den des gescheiterten Pilgerzuges, auch um den Verlust Jerusalems würde er um sein Antiochia kämpfen.
Martin drehte sich um, als er hinter sich von Edessa reden hörte.
»Ah, eben wieder von Balduin zurück?« Zwei Ritter, von denen Martin wusste, dass sie aus der Nähe von Regensburg kamen, begrüßten sich mit dem Bruderkuss. Martin stellte sich nahe zu ihnen heran und versuchte, von dem Gespräch der Männer möglichst viel mitzubekommen. Die Unterhaltung ging aber nur um ein Kloster armenischer Mönche, die Herzog Gottfried um Hilfe gegen türkische Überfälle gebeten hatten. Gottfried
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