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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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habe deren Burg belagert und die Banditen blenden lassen.
    Ein Raunen ging durch die Menge, der Graf von Flandern und der Herzog der Normandie schritten zur Kathedrale. Die Versammlung war nun vollzählig.
    »Jerusalem! Jerusalem!«, schrien die Menschen. Nichts wollte diese Menge als nach Jerusalem. Jerusalem, der Ort der Sehnsucht, das Ende ihres Leidens. Zwei Jahre schon. Zwei Jahre war es schon her, dass sie ihre Heimat verlassen hatten, und nichts war ihnen geblieben als Hunger, Verwundungen, Tod und Trauer. Das Rufen verstummte, als sich das Kirchenportal hinter den Heerführern schloss.
    Die beiden Ritter nahmen ihr Gespräch wieder auf. Martin stellte sich noch dichter an sie heran, von Edessa war nun tatsächlich die Rede. Balduin habe geheiratet, eine byzantinische Prinzessin, es habe tagelange Hochzeitsfeiern mit allem Pomp und Luxus gegeben. Dies hätte den armenischen Adel jedoch nicht wirklich milder gestimmt, denn Balduin besetze die hohen Posten ausschließlich mit fränkischen Rittern.
    Mit Bernhard, hoffte Martin. Balduin war mit Bernhard befreundet. Doch von dem war nicht die Rede, sondern nur von Eroberungen türkischer Festungen.
    Ich spreche sie an, dachte Martin. Ich frage sie einfach, ob sie etwas von Bernhard wissen. Es war ganz einfach. Jeder wusste, dass er Adhémars Sekretär gewesen war. Er war Ritter. Natürlich könnte er sie ansprechen. Nein, das war es nicht, was ihn abhielt. Martin wurde von der Angst gepeinigt, die sich lähmend auf ihn legte, er wurde erdrückt von der Sorge und Ahnung, Bernhard und Alice und ihr Kind könnten tot sein.
    Nun, er hatte Bernhard nie gemocht, dachte Martin, um sich zu besänftigen. Warum also ginge sein Tod ihn was an?
    Aber Alice, natürlich liebte er sie, auch wenn sie ihm fremd geworden war.
    ›Wen du liebst, der stirbt.‹
    Wenn er die Wahrheit erführe, dass sie wirklich tot waren, er würde sich umbringen. Nicht einen Tag wollte Martin länger leben, wenn er anderen Menschen den Tod brachte. Hass regte sich in ihm, Hass nicht nur auf sich selbst, sondern auf einen anderen, seinen Vater, dem er all dieses Elend, diese Schuld zu verdanken hatte. Wie hatte er ihn verehrt, diesen Abt. Geliebt wie keinen Menschen zuvor. Vor ihn würde er die Schuld tragen, ihn würde er anklagen.
    Ja, er würde ihn umbringen mit dem Schwert, das sein Vater ihm gesandt hatte. Wozu eigentlich? Damit er nicht als Unbewaffneter an der Pilgerfahrt teilnahm?
    Nein, damit er kämpfen, damit er im Kampf fallen würde. Damit er, der sündlose Abt, von seiner eigenen Schande befreit würde, indem der Sohn tot wäre. Wie er ihn hasste!
    Hass spürte jetzt Martin um sich herum, Hass erfüllte den Platz und machte sich in nie gekannten Schreien Luft: »Jerusalem! Jerusalem!« »Nieder mit Antiochia!«
    Die Männer zückten ihre Schwerter, die Fackeln wurden geschwenkt. Peter Bartholomäus wurde vom Volk, vom Adel in die Kirche geschickt, um den Fürsten zu drohen:
    Wenn Bohemund und Raimond sich weiter um die Vorherrschaft über Antiochia stritten, würden sie, das Heer Christi, allein nach Jerusalem ziehen. Zuvor aber würden sie mit Freuden Antiochia dem Erdboden gleichmachen.

Im Kloster, die Nacht vom 11. November 1098
    Morgen bist du tot.
    Morgen wirst du nicht mehr die Messe zelebrieren. Nichts mehr als eine Blutlache, als ein Blutfleck unter dem Kreuz wird an dich erinnern. Und den werden die Mönche schon wegzuschrubben wissen. Nein, sie werden ihn immer wieder erneuern. Denn morgen bist du ein Märtyrer – und ich werde deine Heiligung beim Papst vorantreiben und Ruhm dafür ernten – für dich, eine zersägte Leiche.
    Der Prior erhob sich vom dunklen, reich geschnitzten Chorgestühl, empfand zutiefst wieder die Demütigung, dass nicht er dort stand, wo der Abt seine Brüder einen nach dem anderen zum Bruderkuss empfing. Doch das Gefühl des Triumphes obsiegte und hämisch dachte er:
    Morgen wirst nicht mehr du die Reihenfolge bestimmen.
    Morgen werden nicht mehr diese beiden Greise vor mir dran sein, bloß weil sie 50 Jahre früher als ich ins Kloster eingetreten sind, obwohl ich im Rang weit über ihnen stehe, ja sie nicht einmal ein besonderes Amt in ihrem langen Klosterleben hatten. Voller Verachtung schaute er auf die beiden Männer, die, tief gebeugt und demütig, vor ihm den Bruderkuss des Abtes entgegennehmen durften. Nichts als einfache Mönche sind sie, die du vor mich gestellt hast, bloß weil es der Regel des Heiligen Benedikt nicht

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