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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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Vorzimmer, aber nicht die Schreie eines Kindes. Im Raum stand das Schreckenswort: Kaiserschnitt. Doch dann endlich gegen Morgen, die Vögel fingen an zu zwitschern, da hörte ich das klägliche Weinen meiner Tochter, unserer Tochter Agnes. Meine Frau lag ermattet, erschöpft im Bett und hielt unser Kind im Arm und ich konnte eine Magd nach der Saugmutter schicken.
    Agnes war anfangs zwar ziemlich zerknittert, aber sie war gesund. Auch meine Frau erholte sich mit der Zeit, so vergaßen wir unseren Vorsatz, dass wir nicht noch einmal eine Schwangerschaft heraufbeschwören wollten. Allerdings, je mehr Agnes gedieh, je besser es meiner Frau ging, desto mehr wünschte ich mir einen Sohn. Auch meine Frau wollte einen Sohn. Beatrix wurde abermals schwanger, sie freute sich. In mir jedoch wuchs die Angst. Ich beobachtete sie heimlich, sie war blass, es war ihr nicht gut, sie fühlte sich nicht stark wie manche Bauersfrau, die noch am Tag ihrer Niederkunft den Lehmboden schrubbt.
    Ich betete zu Gott, er möge sie am Leben lassen. Sie starb bei der Geburt. Auch das Kind starb. Es war ein Junge, doch die Nabelschnur hatte sich um seinen Hals gelegt.«
    Es war ganz still im Zelt, von draußen drangen die Geräusche des Lagers herein, das Knistern der Feuer, jemand, der sich leise an den Zelten vorbeibewegte, Stimmen, Betrunkene.
    »Glaubt Ihr an die Macht des Gebetes?«, fragte Anselm.
    Martin dachte an den Augenblick, als er auf die Knie gefallen war und mit Seelenblut gebetet hatte, ein Wunder möge geschehen und Theresa gerettet werden.
    »Ich weiß nicht«, antwortete er schließlich, »Jesus sagt: ›Wer da bittet, der empfängt,
    bittet, so wird euch gegeben.‹«
    »Ich weiß, was Ihr sagen wollt. Es ist aber möglicherweise alles ganz anders.
    Wir bitten für gewöhnlich um Irdisches, um die Erfüllung unserer eigenen Wünsche, um uns selbst, nicht um das, was Gottes ist.
    Im Lukasevangelium aber steht am Ende des Kapitels vom Beten und Bitten, der Vater im Himmel werde den Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten.
    Es geht also darum, dass der Heilige Geist mit uns sei.
    Und im Evangelium des Johannes blicken wir ganz auf Jesus Christus: ›Was ihr mich bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun.‹«
    »Wieso unterstellt Ihr mir, dass ich nicht im Namen Jesu Christi um Theresas Leben gebetet habe? Natürlich habe ich das!«, empörte sich Martin. »Was in aller Welt sollte gegen Jesus gerichtet sein, wenn Theresa am Leben geblieben wäre?«
    »Nichts«, antwortete Anselm.
    »Warum hat dann Jesus kein Wunder gewirkt? Denn es heißt im Johannesevangelium weiter, dass unsere Gebete erhört werden, damit der Vater im Sohn verherrlicht werde.
    Warum wollte Gott nicht verherrlicht werden? Hätte er Theresa vor den Augen unseres ganzen Heeres und vor den Augen der Ungläubigen aus den Händen der Heiden befreit, so wäre es ein sichtbares Zeichen zu seinem Ruhme gewesen.«
    Anselm schüttelte den Kopf. Er suchte nach Worten für das Unfassbare. Endlich sagte er:
    »Dieses Zeichen haben die Gaffer, als Jesus am Kreuz hing, auch von ihm gefordert.
    ›Hilf dir selber, wenn du Gottes Sohn bist, und steige herab vom Kreuz.‹ Jesus Christus hat sich nicht geholfen, er ist am Kreuz gestorben. Wir müssen das aushalten, dass es nicht immer sichtbare Zeichen von Jesu Wirken gibt, gerade jetzt auf unserer Pilgerfahrt zur Befreiung Jerusalems. Ich glaube aber fest, Jesus hilft uns, wenn wir unser Leben nicht als eines vor dem Tod und als eines nach dem Tod begreifen, sondern als Einheit. Hier wie dort gehören wir mit ihm zusammen. Gebete verhallen nicht. Lasst Euch trösten.
    Wenn Gott es will, hat er Euer Gebet erhört und Eure Frau ist um Euch und geleitet Euch nach Jerusalem.«
    Martin ließ sich in diesen Gedanken fallen, er spürte wieder den leichten Hauch wie ein Streicheln an Theresas Grab und vergrub sein Gesicht in seinem Kissen.
    Er hatte Anselm ganz vergessen, als dieser Martins sanften, verheißungsvollen Halbschlaf unterbrach und mit bedrückter Stimme sagte:
    »Martin, ich habe ein Gesicht gehabt. Ich fürchte sehr, ich werde diesen kommenden Tag nicht überleben. Schreibt dann Manasse, dem Erzbischof von Reims, und bittet ihn, dass er für meine Seele betet.«

    Ein grauer, kühler Morgen zog herauf. Es regnete zwar nicht ununterbrochen wie noch vor einem Jahr in Antiochia, aber die Zelte und die Kleidung waren klamm.
    Anselm rüstete sich für den Tag, an dem er glaubte, sterben zu müssen. Schweigend

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