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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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der Befehlshaber Stille.
    Alice und Bernhard kämpften, versuchten, sich von den Handfesseln loszumachen, von dem harten Griff, mit dem sie gepackt und festgehalten wurden. Einige Männer schlugen sie mit der Faust ins Gesicht.
    Der Befehlshaber gebot offenbar erneut Ruhe.
    Hanno weinte.
    Alice schrie: »Nein!!!!« Sie schrie und schrie.
    Einer der Soldaten, ein älterer, erfahrener, sprach im singenden Ton einige Worte, erhob sein Schwert über dem laut weinenden kleinen Jungen mit den schwarzen Wuschelhaaren und schlug ihm mit einer schnellen, geübten Bewegung den Kopf ab.
    Hannos Kinderköpfchen fiel herunter auf den Boden neben den Block.
    Alice’ Aufschrei hätte den Himmel zerreißen mögen.
    Sie wäre zusammengebrochen, wenn nicht zwei Soldaten sie festgehalten und hochgezogen hätten. So stand sie, fest im Griff, aufrecht, als jeder der Männer ihr und Bernhard ins Gesicht spuckte. Nur der Befehlshaber war sich dafür offenbar zu schade. Danach raubten sie Bernhards Waffen und ließen das Paar gefesselt zurück. Von Weitem hörten Alice und Bernhard, wie sie laut einander etwas zuriefen und lachend davonritten.

    Mühsam befreiten Bernhard und Alice sich gegenseitig von ihren Stricken. Unter glühender Hitze stolperten sie den steinigen Weg zurück nach Jerusalem. Bernhard trug seinen Sohn im Arm, Hannos Köpfchen und Körper fest aneinandergepresst. Er spürte das Blut seines Kindes, das durch das Kettenhemd und das Wams bis auf die Haut sickerte. Alice weinte und streichelte immer wieder Hannos liebes, blutverschmiertes Gesicht.
    Als sie gegen Mittag das Lager erreichten, kam Martin ihnen keuchend entgegengelaufen:
    »Wo ist Rab?«
    Doch noch ehe Alice sich zu einer Antwort durchringen konnte, tauchten an die 200 prächtige arabische Pferde am Horizont auf.
    »Zu spät«, klagte Alice. »Die Pferde kommen zu spät.«
    Martin fuhr Bernhard an: »Ihr habt es gewusst, Ihr wart dabei, als die Pferde bei Ramla erbeutet wurden.«
    Bernhard sah Martin kalt an, ließ ihn stehen und ging mit seinem toten Sohn auf einen Priester zu.
    Alice fasste Martin am Arm und stammelte:
    »Es tut mir leid. Rab war auch einmal mein Pferd.«
    Martin machte eine abwehrende Kopfbewegung.
    Sie rang sich durch:
    »Eines muss ich dir noch sagen. Ich habe Geld für dich, viel Geld. Schon seit Passau. Vom Abt.«

    Wie jede Nacht wachte Alice vom leisen Weinen auf. Unwillkürlich fasste sie nach Hanno, um ihn an sich heranzuziehen, ihn in den Arm zu nehmen und zu stillen. Ihre Hand griff ins Leere. Sie fühlte ihr Laken, das übel roch, weil sie es lange nicht mehr hatte waschen können. Sie tastete nach ihrem Kind. Er musste doch neben ihr im Bett liegen. Ihre Brüste waren prall, seit Langem hatte sie nicht so viel Milch für ihn gehabt. Aber Hanno war nicht da. Das konnte nicht sein. Sie empfand seine Nähe. Ganz dicht lag der Junge bei ihr. Ganz gewiss war er da. Wie könnte sie sonst seine Gegenwart, seinen Atem, seinen lieben kleinen Körper so dicht bei sich spüren?
    Aber er war nicht da. Ihre Hand konnte ihn nicht berühren, ihn nicht greifen.
    »Hanno, was machst du denn? Wo bist du denn?«
    Alice schrie auf. Mit einem Ruck saß sie aufrecht. Sie fühlte das nasse Kopfkissen, die Tränen liefen ihr über das Gesicht. Sie war von ihrem eigenen Weinen erwacht. Wie jede Nacht, wenn Hanno leise ›Mama‹ rief, weil er gestillt, gestreichelt werden wollte. Sie beschützte ihn gegen seine kleine große Angst.
    Es durchfuhr Alice. Hanno war nicht da. Hanno war tot.
    Das konnte nicht sein.
    Da war er. Am Ausgang des Zeltes. Da hockte er.
    Alice sprang aus dem Bett, hastete nach ihrem Kleid, das sie sich überwarf. Schon war Hanno verschwunden. Schon war er aus dem Zelt gekrabbelt. Alice lief ihm hinterher. Draußen im Lager war es finster. Kein Feuer brannte. Der fahle Schein der Mondsichel ließ die düsteren Zelte kaum erahnen. Nur auf der Mauer von Jerusalem flackerte Fackel neben Fackel. Alice blickte kurz hinauf zu den feindlichen Kriegern, wie sie hoch oben Patrouille schoben. Vor ihr huschte der Schatten ihres Kindes. Da, Hanno krabbelte, dann lief er, verschwand hinter einem Zelt, tauchte wieder auf, fiel hin und stützte sich mit seinen Händchen ab, um wieder hochzukommen.
    »Hanno!«, rief Alice. »Bleib endlich stehen!«
    »Ruhe!«, schrie jemand. »Willst du wohl ruhig sein!«
    Alice lief weiter, immer diesem Schatten nach. Manchmal drehte sich Hanno um, dann war er wie vom Erdboden verschwunden.
    Der Wind peitschte den

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