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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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Olivier die neben ihm auf den Beginn der Prozession wartende Alice. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen:
    »Ich glaube, die Bischöfe, Priester und Mönche sind schon alle versammelt. Sie führen unseren Zug an und tragen Kreuze und all unsere Reliquien. Dann sollen die Heerführer folgen.«
    »Alle? Gemeinsam?«
    »Ja, da kommen sogar Tankred und Graf Raimond. Sie haben offenbar auch der Vision Glauben geschenkt, der tote Bischof Adhémar sei erschienen und habe verkündet, Jerusalem könne binnen neun Tagen erobert werden, wenn alle nicht nur fasten und barfuß um die Heilige Stadt gehen, sondern sich sogar versöhnen.«
    Bekümmert dachte Alice für sich, dass Martin und sie seit Rabs Tod kein Wort mehr miteinander gesprochen hatten. Von anderen hatte sie erfahren, Martin sei zu der Stelle des Überfalls geritten und habe Rab beerdigt und ein Kreuz auf seinem Grab aufgestellt. Das war drei Wochen her.
    Drei Wochen schon war Hanno tot.
    »Was seht Ihr noch?«, wurde sie von Olivier aus ihrer Verlorenheit gerissen.
    »Nach den Heerführern haben sich die kriegstüchtigen Ritter aufgestellt.«
    Dass auch die verwundeten Ritter, die noch selbstständig laufen konnten, dabei waren, mochte sie Olivier nicht sagen. Er konnte es sich auch so denken. Er verzog schmerzlich den Mund.
    »Wie viele sind es noch?«, fragte er.
    »Ich weiß nicht genau. Ich schätze, an die 1.300 Ritter.«
    »Vor Nikäa, als alle Heere zusammentrafen, waren wir wohl mehr als 7.000 Ritter.« Er seufzte:
    »Nikäa, Alice«, sagte er. »Nikäa.«
    Und Olivier sah die grünen Wiesen und Abhänge vor sich, das satte Laub der Bäume, die Getreidefelder. Nikäa – die Kornkammer Byzanz’. Und dann das Lager, groß und farbig, die bunten Zelte, die mit Gold und Edelsteinen besetzten Fahnen, die Ritter in glänzenden Rüstungen oder prächtig, in rote, gelbe, blaue und grüne Gewänder gekleidet. Farben über Farben unter einem leuchtend blauen Himmel. Neben ihm ganz deutlich bei der Messe, Olivier war, als kniete er wirklich an seiner Seite, Anselm von Ribemont. Sie empfingen gemeinsam das Heilige Abendmahl. Der war nun auch schon tot. Fast alle waren tot.
    Olivier bekreuzigte sich. Abrupt sagte er:
    »Ich darf nicht verzweifeln. Auch wenn blind sein fast wie tot sein ist. Ich muss Gott danken, dass ich noch lebe.«
    Alice war dieses Bekenntnis unangenehm.
    Nüchtern sagte sie: »Dann kommen die Fußsoldaten. Es sind wohl etwas mehr als 12.000.
    Und dann kommen wir.«
    »Die Krüppel und die Lahmen«, stellte er bitter fest.
    »Die Verwundeten, die Frauen, die Kinder, die Alten«, verbesserte ihn Alice. »Den Schluss bilden sie. Ihr wisst schon, wer. Die verlorenen Frauen.«
    Ich selbst bin auch eine, schoss es ihr durch den Sinn. Alice richtete sich auf.
    »Nein, bin ich nicht«, sagte sie hörbar.
    »Was sagt Ihr?«
    »Nichts. Es ist schon gut.«
    Die Trompeten erschallten. Der Prozessionszug setzte sich langsam in Bewegung.
    Alice ergriff Oliviers Hand. Der steinige, staubige Sand unter ihren Füßen war heiß. Doch sie achtete nicht darauf, sondern blickte zornig zu der Festungsmauer hinauf. Ihre Hand verkrampfte sich.
    »Was ist?«, fragte Olivier. »Ich kann mit den Ohren noch nicht sehen.«
    »Es scheint, als hätte sich die Bevölkerung Jerusalems auf der Stadtmauer versammelt. Sogar Frauen. Sie verspotten uns.«
    Olivier nickte.
    »Sie haben wieder Kreuze hochgezogen und speien und …, ich mag es nicht sagen …«
    »Pissen dagegen, wollt Ihr sagen.« Olivier schüttelte den Kopf.
    »Ich verstehe sie nicht. Alle früheren Verhandlungen zu einer friedlichen Übergabe sind gescheitert. Sie müssen sich sehr sicher sein, dass wir Jerusalem auf keinen Fall erobern, obwohl sie doch unsere Belagerungsmaschinen sehen können. Der Garnison dürfte klar sein, dass wir bald mit dem Bau fertig sind und angreifen. Sie werden es bitter bereuen, dass sie es wagen, über uns zu triumphieren und Jesus Christus zu verhöhnen …«
    Alice war sich dessen nicht so sicher.
    Sie warf den gerüsteten Männern auf der Mauer einen prüfenden Blick zu. Besonders die schwarzen Krieger wirkten stark und bedrohlich. Beängstigt dachte sie an den Weg vom Ölberg zur Kapelle der Heiligen Maria auf dem Berge Zion. In das kleine Gotteshaus würden unmöglich alle Pilger hineinpassen, eigentlich nur die Geistlichen und Heerführer, nicht einmal alle Ritter, und dann würden die Bogenschützen von der Befestigungsmauer in die draußen vor der Kirche die Messe feiernde

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