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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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bedacht, selbst zu überleben, koste es, was es wolle.
    Da blieb von Freundschaft wenig übrig.
    Nur Bernhard, der ihr vertrauteste Mensch, liebte sie auf seine Weise, und mit ganzer Kraft hatte Alice die Vorstellungen von Sünde fortgeschoben und sich seinen Liebkosungen, seinem Begehren hingegeben.
    Hätte sie es nur nicht getan! Warum war sie so schwach gewesen. Sie war doch gar nicht allein. Sie hatte Hanno, ihr Kind.
    Herzensangst erfasste Alice, Hanno könne von ihr gehen, endgültig. Es gab nichts, womit sie ihr Kind retten könnte, keinen Schnee, kein Wasser, nicht einmal einen Baum, unter dessen Blätterdach sie ihm Kühlung bereiten könnte. Nur dieses stickige Zelt, draußen aber war nirgendwo Schatten und es wehte der heiße, staubige Wüstenwind.
    Alice horchte. Ein Händler bot Wasser und Brot an. Eine Seltenheit, denn auch Brot war Mangelware. Vielleicht hätte er Weintrauben, von denen die Reichen aßen. Vielleicht würden die Hanno erfrischen, ihm guttun. Ängstlich betrachtete sie ihr Kind, der Junge müsste allmählich vollkommen ausgedörrt sein. Keine kleinen Schweißperlen standen mehr auf seiner Stirn. Es war eine trockene Hitze in ihm.
    Vielleicht senken Weintrauben das Fieber, hoffte Alice, während sie die für viel zu teures Geld gekauften Weintrauben entkernte, die harte Schale abzog und die süße Frucht Hanno unter die Nase hielt, auf dass er von dem Duft aus seinem Fieberschlaf aufwachen möge. Wirklich blinzelte das Kind sie an, doch seinen Mund öffnen mochte er nicht.
    Alice steckte ihm trotzdem eine Weintraube in den Mund. Er kaute nicht. Wenn er sich nun daran verschluckt, dachte sie und nahm vorsichtig die Frucht aus der kleinen Mundhöhle, zerquetschte sie und benetzte damit Hannos trockene, rissige Lippen.
    Kein Lächeln, das sie an ihm so liebte, zeigte sich auf seinem Gesichtchen.
    »Oh Gott!«, rief sie. »Was habe ich getan. Engel im Himmel, helft mir! Heilige Mutter Gottes, rette mein Kind!«
    Ganz dicht hielt Alice ihr Ohr an seinen Atem. Oh Gott! Der Junge starb ihr unter den Händen weg. Sie musste etwas tun.
    Hanno müsste fort aus diesem Lager. Er müsste irgendwohin, wo es Wasser gab. Sie wollte sich mit Hanno in einen kühlen Bach stellen, das Kind auf dem Arm. Das Wasser würde in sanften kleinen Wellen ihn umspülen und das Fieber herunterdrücken. Nur so könnte er gesund werden. Und wenn schon kein Bach, so doch kalte Umschläge.
    Sie mussten fort hier, schnell fort. Nur wohin? Nach Bethlehem, schoss es ihr durch den Sinn.
    Sie bräuchte ein Pferd, sie hatte keines. Martin hatte ein Pferd, hatte Rab. Wut stieg in ihr auf. Rab war ihr Pferd, sie hatte es ihm in Konstantinopel geschenkt. Nun müsste sie Martin bitten, dass er ihr den Hengst leihen möge. Wie ungerecht die Welt war.
    Wenn Bernhard nur endlich zurückkäme. Es müsste schon später Nachmittag sein.
    Warum kam Bernhard nicht? War ihm etwas passiert?
    Alice spähte aus ihrem Zelt. Draußen war alles wie immer. Einige Leute saßen träge herum, je weniger man sich bewegte, desto weniger Wasser bedurfte es zum Überleben. Nur einige Männer sammelten sich, um die Patrouille, die ständig das Lager bewachte, abzulösen.
    Alice setzte sich wieder neben Hanno, nahm seine sonst so niedliche feste Hand, die jetzt heiß und dürr wirkte. Alice hätte weinen mögen ob dieser Hand.
    Es stand fest, sie bräuchte Rab. Doch zu Graf Raimonds Lager hinüberlaufen konnte sie mit Hanno nicht, die Hitze würde ihm zu sehr zusetzen. Allein ohne Hanno gehen mochte sie nicht. Ach nein, fiel ihr ein. Bernhard wollte Martin beim Fortreiten bitten, sich um Olivier zu kümmern. Zu Olivier könnte sie gehen. Alice nahm Hanno in den Arm und machte sich auf den Weg durch die brütende Hitze.
    Vor dem Anblick des blinden Olivier graute ihr im Voraus.
    Schon beim Eintreten starrte Alice auf seine Füße, ob sie wohl zucken würden. Vor Schreck schloss sie die Augen. Die Füße zuckten, als würde jemand mit dem Schwert auf sie einschlagen.
    Martin wirkte mürrisch, wie er neben Oliviers Bett saß.
    Er war keineswegs gern bereit, Alice Rab für einen Ritt nach Bethlehem abzutreten.
    »Bring mir das Pferd ja heil wieder!«, rief er ihr in drohendem Ton nach.
    Wie kann er nur so herzlos sein, dachte sie, als sie das Zelt verließ. Er sieht doch, wie krank Hanno ist. Warum sagt Martin nicht einfach freundlich:
    ›Ja. Ich gebe dir Rab gerne.‹ Warum dieser Ton?
    Zurück zu ihrem Zelt zu gelangen, erwies sich als schwierig. Denn die

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