Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
einmal auf dem Schiff Richtung Buda und weiter nach Wieselburg, hätte Martin kaum noch eine Möglichkeit, sie zu finden. Der junge Mann ritt im Galopp. Die Straße nach Mohács und das helle Mondlicht ließen es zu, dass er auch die Nacht über reiten konnte. Die Schatten der mächtigen Walnussbäume, die ihre Blätter noch nicht verloren hatten, wirkten in diesem weißlichen Licht unheimlich.
Gegen Morgen erreichte Martin Mohács. Die Stadt wirkte belebt, der Markt war voller Waren, unangenehm war nur der aufdringliche Fischgeruch.
Martin ritt sofort zu den Anlegestellen der Schiffe. Die Donau war an dieser Stelle schmal und wirkte eher träge. Am Ufer waren zwei Schiffe festgetaut, auf die Waren verladen wurden.
Mit Rab am Zügel ging Martin langsam auf die Gruppe zu, grüßte höflich und erkundigte sich, ob die Kaufleute vor Kurzem in Mangjeloz die Ware eines Kaufmanns aus Passau aufgeladen hätten, der selbst als Kreuzfahrer nach Jerusalem unterwegs sei.
Martin erhielt keine rechte Antwort, die Kaufleute und die beiden Fuhrleute standen um ihn herum, Letztere verdrückten sich. Endlich richtete sich ein Kaufmann auf und erklärte, dass Reiter gekommen wären. Sie hätten einen Brief vorgezeigt mit der Unterschrift eines Kaufmanns Karl, in dem er sie angewiesen, nein, gebeten habe, die Fässer mit den Gewürzen abzuladen und sie den Reitern, die extra Lastpferde mitgebracht hätten, auszuhändigen.
Es sei alles rechtens verlaufen.
Betrug! Betrug!, schrie es in Martins Innerem. Wut stieg in ihm auf.
»Bitte überzeugen Sie sich, dass die gesamte Ware weisungsgemäß abgeladen wurde.«
›Ihr Gauner‹, dachte er voller Empörung. Natürlich hatten diese Kaufleute gewusst, dass der Brief gefälscht, eine Finte war, um die Ware ohne Kampf und Blutvergießen zu erbeuten.
Ob etwas nicht in Ordnung sei, fragte ein Kaufmann scheinheilig.
Es war sinnlos, darauf zu antworten.
Ob man den jungen Herrn zu einem Frühstück einladen dürfe.
›Herr‹, Martin erbitterte diese Schmeichelei, er hatte ganz vergessen, dass er kostbar gekleidet war.
Er musste fort. Karls Ware, Karls Vermögen war verloren.
Martin wendete abrupt sein Pferd und preschte durch die Stadt. Also zurück nach Passau.
Er beschloss, durch einsame Gebiete zu reiten, möglichst wenig zu reden, nein, sich stumm zu stellen. Geld hatte er ja, er fühlte wieder seinen Beutel, er versicherte sich, dass er es noch besaß und es ihm nicht von den feigen Kaufleuten gestohlen worden war.
Es waren widerstreitende Empfindungen, die Martin beherrschten. Natürlich, er war gejagt von der Sorge und Angst, das Kreuzfahrerheer nicht mehr in Konstantinopel anzutreffen. Allein aber den Sarazenen ausgesetzt zu sein – und dies dazu noch ohne Waffe –, beunruhigte ihn, hetzte ihn unaufhaltsam vorwärts. Zugleich aber entfernte er sich immer weiter von diesen Tausenden von Menschen, die sich teils mit Geschrei und Gezänk, teils mit Arroganz und hoheitsvollem Gebaren als schier unübersehbare Masse durch die Landschaft wälzten. Von Ungarn, von der Landschaft hatte Martin bisher auf dem Hinweg nichts wahrgenommen. Ständig bewacht, hatte er nichts als Befehle erhalten von seinem Herrn Karl und von dem Ritter von Baerheim. Jetzt musste er sich selber durchschlagen. Martin nahm mit hellen Sinnen seine Umgebung wahr, das Unterholz, die bewaldeten Berghänge. Buchen- und Eichenwälder boten Schutz vor dem einsetzenden Regen. Nachts suchte er sich einen Felsvorsprung oder fand eine Tropfsteinhöhle, um dort sein Lager aufzuschlagen.
Er entdeckte Spuren von Elchen und Bären. Angst hatte er keine. Martin hatte sich einen Knüppel besorgt und vertraute auf seine Kraft.
Je mehr Martin sich dem Neusiedler See näherte, desto mehr überkam ihn das Bedürfnis, das sich nur schwer abschütteln ließ, sich endlich einmal gründlich zu waschen. Einmal alle Kleider abzuwerfen und, ungeachtet der Tatsache, dass es schon Ende November war, im See zu baden. Die allmählich verdreckte, aber noch immer vornehme Kleidung des Abtes versteckte Martin im Schilf.
Rab hatte er am Ufer des Sees angebunden, da das Pferd nicht im Morast stehen mochte.
Das Wasser war eisig, aber noch nicht gefroren. Martin wusch sich Gesicht und Schultern und Arme. Vögel, durch die ungewohnten Geräusche aufgeschreckt, stoben aus dem Sumpfsee auf. Martin blickte ihnen nach, hörte aber nun seinerseits ein verdächtiges Knacken im Schilf. Er sah einen Mann, gedrungen und kräftig. In geduckter
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