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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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Stundenlang hatten sie gewartet, um den Fluss überqueren zu können. Für das Übersetzen des Wagens hatte Karl eine erhebliche Summe gezahlt, die ihm angesichts seiner ziemlich geleerten Kasse wehtat. Wie oft hatte er nun schon seit dem Kauf der Gewürze seine Ausgabe überdacht und insgeheim bereut. So auch jetzt, er rechnete, während sie am Ufer standen und beobachteten, wie Balduin und seine Gemahlin Godvere sowie auch seine Gefolgschaft aus ihrer ungarischen Geiselhaft mit Ehren entlassen und von Gottfried von Bouillon freudig am byzantinischen Ufer in Empfang genommen wurden.
    Es war ein Augenblick des Aufatmens, der durch das ganze Heer ging. Endlich waren sie die ungarische Bewachung los.
    Und nun diese Nachricht! Alice sah ihren Vater an, beobachtete sein Gesicht. Nein, sie musste nicht darin forschen, um zu wissen, dass Angst und Not und Grauen ihn erfasst hatten. Seine Ware, fast sein ganzes Vermögen, auf einem Wagen in Ungarn – und niemand da, der die Absicht gehabt hätte, diese Fässer eines fremden Kaufmanns mit seinem Leben zu verteidigen. Mit Sicherheit würden bei einem Überfall die Fuhrleute diese Kostbarkeit als Erstes herausrücken.
    Karl stand der Schweiß auf der Stirn. Eine innere Bewegung, ein Zittern durchlief seinen Körper. Es wurde ihm zur Gewissheit. Seine Gewürze würden Passau niemals erreichen. Das Geld war verloren.
    Ruhe war im Heer eingetreten. Alice lag neben ihrem Vater im Wagen. Sie hatten sich ein Lager aus Decken und Fellen bereitet, Martin schlief nie bei ihnen, auch nicht bei schlechtem Wetter, Alice’ Vater hatte es ihm untersagt. Er behandelte Martin so schlecht. Warum nur? Wieder einmal hatte Karl seinen Knecht angeschnauzt, er solle sich zum Teufel scheren. Gleich darauf hatte er seine Heftigkeit zwar bereut, sich aber nicht entschuldigt, sondern sogar nach Martin getreten, der sich zu Markus davonmachte.
    Nun lag Karl wach. Geld war Leben auf diesem Kreuzzug. Sein Bruder, der Abt, hatte es so ausgedrückt. Wie er ihn hasste! Aber Tatsache war, er brauchte Geld. Zunächst musste er genau wissen, es war doch sicher nichts als ein Hirngespinst, er musste also genau wissen, ob seine Waren tatsächlich gestohlen waren. Dazu müsste er zurück nach Ungarn, was vollkommen ausgeschlossen war mit dem schweren Wagen. Wie sollte er das weiterziehende Heer je wieder erreichen? Alice allein lassen und mit dem Reitpferd hinterherreiten konnte er jedoch auch nicht, ohne väterlichen Schutz wäre sie Aufdringlichkeiten ausgesetzt. Trauen konnte man niemandem. Alice hörte ihren Vater sich auf seinem Lager herumwälzen, manchmal laut rechnen. Schweigend lag sie neben ihm und quälte sich.
    Schwer lag das Geld auf ihrer Seele. Sie müsste sich ihrem Vater anvertrauen, das wäre ihre Pflicht als gehorsame Tochter. Sie bräuchte den Beutel nur hervorzuziehen und ihrem Vater zu sagen: ›Vater, selbst wenn Räuber den Wagen überfallen und die Ware gestohlen hätten, hier, sieh, wir haben Geld. Zähl nur.‹ Was hielt sie davon ab? Ein Versprechen dem Menschen gegenüber, der ihr Leben zerstört hatte? Das Furchtbare war: So sehr sie den Abt verabscheute, sie gab ihm recht. Offenbarte sie ihrem Vater das Geheimnis, so würde er das Geld an sich nehmen und es ihr niemals wiedergeben. Und welche Gewissheit hatte sie, dass er es aus Not nicht leichtsinnig ausgab? Was könnte geschehen, wenn er betrunken war? Und das war er in letzter Zeit öfter, aus Kummer und wegen dieser schrecklichen Zahnschmerzen, die sich natürlich gleich nach dem Kauf der Ware erneut eingestellt hatten.
    Andererseits – sie brauchten Geld.
    »Vater!«, rief Alice und setzte sich kerzengerade auf. »Wie wäre es, wenn Martin zurückreiten und meine Mitgift holen würde?«
    Der Vater zögerte, obwohl er ihren Vorschlag durchaus erwägenswert fand. Die Mitgift seiner Tochter aufs Spiel zu setzen, erschien ihm zwar verantwortungslos – dennoch, es war eine Lösung aus seiner Not, wenn auch ein Wagnis.
    »Wir können es so machen, Vater, Martin reitet auf Rab ganz schnell zurück nach Ungarn. Sobald er den Wagen mit den Gewürzen erreicht hat, kehrt er um und zu uns zurück. Wenn nicht …«, ihr Atem stockte. »Wenn nicht, reitet er umgehend nach Passau, holt vom Abt die Mitgift und bringt sie uns.«
    »Das ist unmöglich, Alice. Wo sollte er wieder auf uns treffen?«, fragte der Vater unsicher.
    »In Konstantinopel. Vater, lass es uns so machen.«
    »Es muss rasch gehen. Martin müsste uns eingeholt haben,

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