Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
zusammen ausreiten. Es wird dir und Rab guttun. Du kannst dich kräftigen, bevor du diese weite Reise antrittst.«
Langsam ritten sie aus der Klosteranlage heraus. Martin atmete tief die Winterluft ein und blickte auf die weite, schneebedeckte Landschaft, die sich sonnenbeschienen vor ihnen ausbreitete. Von den Hügeln aus sah Martin auf die Donau hinab, auf der noch Eisschollen schwammen. Sie hielten ihre Pferde erst an, als die Landspitze von Passau in Sicht kam. Das dunkle Wasser der Ilz hob sich deutlich von den hellen Wassern des Inn ab. Martin warf einen scheuen Blick zu den vertrauten Mauern, von denen er sich möglicherweise für immer verabschiedete. Er betrachtete vom jenseitigen Ufer das Paulustor und den Domplatz, von dem aus er nach Jerusalem aufgebrochen, er suchte die Marchgasse, in der er aufgewachsen war. Er wusste nicht, was er von seinem bisherigen Leben dort unten, eingepfercht zwischen dem Kloster Niedernburg und dem Wehr, halten sollte, es war ein beklemmendes Gefühl.
»Auf, Martin! Lass sehn, was du noch kannst!«, wurde er vom Abt aus seinen versponnenen Gedanken gerissen. Und damit preschte der andere über die Wiesen davon, dass der Schnee nur so aufstob. Martin setzte ihm nach – sein Ehrgeiz erwachte, er wollte den Abt einholen und möglichst überholen. Doch der ritt nun langsamer, sodass es nicht zu einem Wettrennen kam.
»Wir haben einen ganzen Tag vor uns«, sagte der Abt. »Wir werden ihn geruhsamer beginnen. Ich wollte nur deine trüben Gedanken verscheuchen. Übrigens, alles was du hier siehst, die Felder, Wiesen und Wälder, gehören dem Kloster. Das Kloster hat fünf Mönche, die als Förster die Jäger und Waldarbeiter beaufsichtigen. Einen von ihnen, Bruder Franzius, wirst du kennenlernen.«
Gegen Mittag erreichten sie ein vom Bergwald umgebenes Blockhaus. Zu Martins Erstaunen wurde er von dem fremden Mönch nicht mit Du angesprochen, sondern wie ein Herr mit ›Ihr‹. Nach Gebet und Bruderkuss führte Bruder Franzius seine Gäste zu einem bereits mit einem weißen Leinentuch gedeckten Tisch. Tonteller sowie Schalen mit Wasser und die Tücher, die zum Säubern der Finger während des Essens gedacht waren, standen bereit. Ein Messer trug jeder sowieso bei sich.
»Wildbret«, freute sich der Mönch, »weil Ihr noch krank seid, und Euch zu Ehren«, er wandte sich an den Abt, »Hirsch.«
Martin stutzte, natürlich, Hochwild durfte nur vom Adel gegessen werden.
Er fühlte sich unsicher, wenn er an seine Tischmanieren und das Tischgespräch dachte, denn weder der Abt noch Bruder Franzius würden, wie sonst üblich, beim Essen schweigen.
Bruder Franzius wandte sich denn auch an den jungen Mann und stellte fragend fest:
»Ihr zieht morgen nach Jerusalem.«
Martin nickte.
»Wunderbar ist es, dass Tausende ihr Hab und Gut verlassen und sich auf den weiten Weg machen, um die Heiligen Stätten von den Ungläubigen zu befreien. Sogar in meine Einsamkeit ist der Aufruf des Papstes gedrungen. Er hat die Ritter endlich dazu gebracht, sich nicht mehr gegenseitig zu befehden und so den Gottesfrieden zu brechen. Mehr noch: Arme und Reiche, Unfreie und Adelige sind vereint in dem einen Ziel: Jerusalem.«
Martin wusste nicht, was er erwidern sollte. Er fand sich nicht mit den anderen Pilgern wirklich verbunden, am wenigsten mit den Rittern und schon gar nicht mit Bernhard von Baerheim.
Statt seiner antwortete der Abt. »Wie vereint sie wirklich sind, wird sich zeigen, wenn sich die Heere in Konstantinopel zusammengeschlossen haben. Ich vertraue auf die Güte und Klugheit Adhémars, des Bischofs von Le Puy, der als Legat des Papstes für Frieden innerhalb der Kreuzfahrerheere sorgen wird. Ich habe ihn in Cluny kennengelernt und er machte auf mich einen besonnenen, weisen Eindruck. Übrigens ist er ein exzellenter Reiter und beherrscht sein Pferd wie ein Ritter.«
»Ja«, seufzte Bruder Franzius. »Cluny, das bedeutendste Kloster der Christenheit. Ich wünschte, ich könnte einmal in meinem Leben dorthin kommen.«
»Ich fürchte allerdings«, sagte der Abt, ohne den Einwurf des Mönches weiter zu beachten, »dass Bischof Adhémar sich schwer gegen die selbstherrlichen Heerführer durchsetzen kann, wenn es ernstlich um Machtfragen geht.«
Er schwieg. Der Mönch und Martin schwiegen ebenso, konnten sich allerdings wenig unter den Schwierigkeiten vorstellen, die der Abt voraussah.
»Besonders Bohemund soll ein ehrgeiziger, durchtriebener und grausamer Führer sein, dessen Normannen
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