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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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wunderte nur, dass der Abt Arabisch konnte. Aber er hatte keine Lust, ihn danach zu fragen, wo und wieso er es gelernt hatte.
    Der Abt dachte Ähnliches:
    »Der Koran, von dem ich dir erzählt habe, ist ein prächtiges, überaus kostbares Geschenk des Kalifen von Cordoba an das Kloster Cluny. Bedenke: Der Islam hat zwei Gesichter:
    ein kriegerisches und ein generöses, überaus gelehrtes.«
    Von der Seite betrachtete Martin verstohlen den Abt. Erneut wunderte er sich über die Klarheit seines Gesichtes wie auch über die Anerkennung und Achtung, die er den Muslimen entgegenbrachte.
    Der Abt bemerkte den Blick und lächelte.
    »Los, Martin. Vergessen wir Krieg, Tod und Gelehrsamkeit! Wer ist schneller, du oder ich?«
    Er gab seinem Pferd die Sporen und preschte davon.
    Sie hatten jetzt das hügelige Weideland wieder erreicht und Martin galoppierte hinter dem Abt her, der zwar für einen Augenblick langsamer ritt, sodass Martin den Vorsprung leicht einholen konnte, doch dann wieder davonstürmte. Es begann ein wildes, spielerisches, ehrgeiziges Wettreiten. Es zählte nur der Augenblick, in dem der eine schneller war als der andere und sich an die Spitze setzen konnte. Einmal warf Martin einen genaueren Blick auf den Abt, es fiel ihm auf, wie jung er wirkte, gerade wie ein älterer Bruder. Martin scheuchte diesen Anflug von Nachdenklichkeit fort und überließ sich ganz dem Spiel, dem Treiben, dem Wind, der Geschwindigkeit und der sich steigernden Lust am Reiten. Er fühlte Rab, sich selbst und sah, dass der andere dieselbe Freude empfand. So ging es lange Zeit, bis der Abt dem Wettkampf ein Ende bereitete, indem er zu einem Wald ritt, dessen dichtes Unterholz nur ein schrittweises Gehen ermöglichte. Bei einer Quelle saßen sie ab. Abt Johannes schöpfte Wasser, sie suchten Hartriegel und anderes trockenes Strauchwerk und entflammten aus mitgebrachtem Zündel und Zunder ein Feuer. Den Pferden gaben sie zu trinken, selbst hockten sie um die kleine Kochstelle, tranken mit Wasser gemischten Wein und aßen Brot und Käse.
    Es war später Nachmittag. Die Tannen um die kleine Lichtung wirkten zusehends dunkler, schwärzer. Durch das Holz bahnten sie sich einen Weg ins Freie. Der Ältere ritt langsam voran, der Jüngere folgte nah hinter ihm, wobei Martin seine Gestalt betrachtete.
    Hätte der Abt wirklich jeden, der da des Nachts krank ins Kloster gekommen wäre, ebenso sorgsam und fürsorglich und liebevoll behandelt? Auch Bernhard von Baerheim?
    Sie waren nun aus dem Wald herausgeritten. Vor ihnen lag das schneebeladene Tal im Dämmerlicht und über ihnen wölbte sich das Geäst einer mächtigen Buche. Martin hatte das Bedürfnis, etwas von Herzen Kommendes zu sagen und seine Dankbarkeit auszudrücken.
    Er wandte sich zu dem Abt, blickte ihn an und rief aus:
    »Jerusalem kann auch nicht schöner sein!«
    »Dies hier ist Jerusalem«, erhielt er als Antwort.

    Mit klatschnassem Gesicht wachte Martin in der Nacht auf. Erschrocken wischte er sich die Tränen ab. Nachts ohne Grund zu weinen, war unmännlich und er schämte sich. Sogar das Kopfkissen war nass. Er wendete es und lag dann auf dem Rücken in seiner Krankenzelle, in der beständig ein Licht brannte. Seine Tränen hatten auch mit einem Licht zu tun, versuchte er sich zu erinnern.
    Natürlich hatte er das Grab seiner Mutter vor seiner Abreise nach Jerusalem besuchen wollen, und so waren der Abt und Martin zu der Friedhofskirche St. Severin geritten. Es war bereits dunkel, als sie beim Gottesacker ankamen. Martin fühlte sich beklommen, alleine zu den Gräbern zu gehen, und bat den Abt, ihn zu begleiten. Der aber schüttelte den Kopf und erklärte: »Mit dir ist schon genug Welt in mein Leben getreten. Dafür werde ich mir eine harte Buße auferlegen. Zu den Gräbern der beiden Frauen dort aber werde ich nicht gehen.«
    Martin war unheimlich zumute, als er sich seinen Weg zwischen den Toten bahnte. Es war Wind aufgekommen, das Licht in seiner Lampe flackerte. ›Gräber‹ hatte der Abt gesagt. Es fiel Martin mit einem Male auf, als er endlich vor dem Grab seiner Mutter stand, dass sie fast neben der Mutter Alice’ beigesetzt worden war. Zwischen den beiden Frauen war ein Stückchen Erde frei gelassen, in dem Karl dermaleinst bestattet sein wollte. Schaurig war das. Irgendwie auch unkeusch. Das Grauenhafteste aber war, dass er keine Andacht am Grab seiner Mutter finden, ja nicht einmal gut von ihr denken konnte. Stattdessen war ihm das Ewige Licht auf ihrem Grab wie

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