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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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ein Irrlicht erschienen, das ihn mit bösen Augen anstarrte, das sich im Traum in 100 Augen verwandelt hatte, die ihn umschwirrten, ihn verhöhnten, ihn zu verscheuchen suchten. Martin war entsetzt vom Friedhof geflohen und erst zur Ruhe gekommen, als er den Abt bei den Pferden stehen sah. Wie es schien, sprach er zu Rab, flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    Bedrückt saß Martin auf und ritt traurig neben dem Abt. Der aber sagte, bevor sie das Kloster erreichten und schweigen mussten:
    »Jesus hat uns aufgefordert, Vater und Mutter zu verlassen um seinetwillen. Jeder befolgt dieses Wort auf seine Weise. Ich habe damals in einer Winternacht wie dieser um die Aufnahme ins Kloster gebeten. Du, Martin, du folgst Jesus nach, indem du zu den Orten aufbrichst, an denen unser Herr gewirkt hat. Abraham, Jakob, Moses, die Jünger Jesu, alles sind Aufbruchsgeschichten, alle haben ihre Verwandten, ihre Heimat verlassen, um Gott zu dienen. Und du bist einer von ihnen. Sei in aller Demut stolz auf dich. Ich bin es auch.«
    Und trotzdem diese Tränen? Sie waren ins Kloster hineingeritten, von dem wortlosen Gruß des Pförtners begleitet, hatten die Pferde versorgt, hatten sich, wie es Brauch war, Hände und Gesicht gewaschen und waren schweigend bis zu Martins Krankenzelle gegangen, wo der Abt ihm zugenickt hatte und dann in der Dunkelheit verschwunden war.
    Dieser war jedoch nicht in seine Abtwohnung, sondern in die Kirche gegangen und hatte die Nacht in Kreuzesform auf dem Steinfußboden betend verbracht. Kurz vor den Laudes ging er über einen kleinen Hof zum Dormitorium der Mönche, das sich im oberen Stock eines lang gestreckten Steinhauses befand. Nachdenklich öffnete er die Tür zum Arbeits- und Aufenthaltsraum der Mönche. Die Hitze dieses einzigen beheizbaren Raumes schlug ihm entgegen und machte ihn fast schwindelig. Seine Glieder waren wie steif gefroren und schmerzten, als er die Leiter zum Schlafraum hinaufstieg. Etwas früher als gewöhnlich, da Feiertag war, weckte er die Brüder und betrat anschließend Martins Krankenzelle zusammen mit dem Vogt, der Martin Alice’ Mitgift sowie ein reichlich bemessenes Reisegeld aushändigte. Kleidung aus festem, warmem Stoff sowie alles Nötige für den weiten Ritt hatte Martin schon am Morgen davor erhalten. Es blieb kaum noch Zeit für den Abt, durch die Sakristei zu eilen und sich umzuziehen. Darauf folgte der Nachtgottesdienst in der fast dunklen Kirche. Stehend sangen die Mönche Psalmen, es folgten Lesungen und wieder Gesänge. Wunderschöne Musik, wie sie Martin noch nie mit Bewusstsein so vernommen hatte.
    Und während Martin lauschte, überkam ihn der Wunsch dazubleiben. Was hielt ihn denn davon ab, um Aufnahme ins Kloster zu bitten? Er könnte ja sogar noch das Geld Karl bringen und dann zurückkehren. Warum also lebte er nicht mit den Brüdern hier zusammen?
    Schreiben und Lesen beherrschte er, er könnte sich in der Schreibstube nützlich machen.
    Sehnsucht erfasste ihn, Sehnsucht nach Gotteslob und Gemeinschaft.
    Der Abt stimmte den Hymnus ›Te Deum laudamus‹, Gott, wir loben dich, an. Nach der Lesung hallte das »Amen« in dem hohen Kirchenschiff, dessen Decke sich wie ein Himmelsgewölbe über ihnen ausbreitete.
    Dem Segen folgte gleich der Frühgottesdienst, in dem wiederum gesungen wurde, himmlisch und doch menschlich. Nachdem die heilige Handlung mit einem Lobgesang beendet worden war, verließen die Brüder in tiefem Schweigen die Kirche. Martin war stehen geblieben und sah die Männer an sich vorbeiziehen, sodass er als Letzter mit dem Abt aus der Kirche trat. Wenn jetzt doch der Abt ihn bäte, hier zu bleiben und Mönch zu werden, wenn er es nur täte, hoffte Martin, während er sich jedoch auch selbst nicht durchringen konnte, das entscheidende Wort zu sagen.
    Der Abt begleitete zusammen mit den Brüdern Martin zum Eingang des Klosters, wo schon Rab gesattelt bereitstand. Im Beisein aller Mönche sprach er den Reisesegen. Martin bedankte sich bei dem Abt, bei Bruder Thaddäus und den anderen Brüdern.
    Der Abt machte dem Abschied ein Ende, indem er Martin einen Brief aushändigte. Dieser war an Karl gerichtet, mit einem Siegel versehen und ausschließlich nur von ihm zu lesen.
    »Falls mein Bruder Karl gestorben sein sollte bei deiner Ankunft, so bring den Brief wieder zurück oder vernichte ihn, wenn es dir notwendig erscheint.«
    Martin versprach es. Und weil er sich selber sehr kleinmütig vorkam, sprang er auf sein Pferd und rief mit lauter, heller,

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