Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
Spanien gegen die Sarazenen gekämpft und ihren Tod gefunden haben. Es waren tapfere, edle, fromme Männer.« Dann sagte Martin hart und trocken: »Aber ich habe kein Schwert und werde niemals eines besitzen. Dabei wäre ich sicher ein guter Kämpfer. Ich beobachte täglich Bernhard, wie er sich im Kampf übt. Er ist schnell und geschickt und stark. Er ist auch der Mutigste von allen. Und dann spielt er auch noch Laute und singt dazu, meistens von Roland, wie er mit seinem Schwert Durndart die Sarazenen in Spanien besiegt:
›Ruolant was ergremt harte
Mit dem guoten Durndarte
Gefrumte er manigen tôten man.
Des swertes site was sô getân,
swâ erz hin sluoc, daz ez durch den stâl wuot.
Die tôten lâgen
Sam die hôhen berge.
Daz bluot von manne
Fulte velt und graben.
Sie wuoten in dem bluote unz an die knie.‹
»Sie wuoten in dem bluote unz an die knie«, wiederholte der Abt. »Ein sehr bekanntes Bild aus der Geheimen Offenbarung, das nichts darüber aussagt, wie etwas sich wirklich zugetragen hat. Womöglich wird man es auch auf die Eroberung Jerusalems anwenden. Hoffentlich nicht . «
Martin sah ihn verständnislos an. Der Abt wandte sich denn auch wieder dem Kranken zu und fragte mit einem besorgten Unterton:
»Du bewunderst ihn sehr?«
»Alle bewundern Bernhard, besonders die Frauen. Auch Alice.«
Martin machte ein trotziges Gesicht.
»Allerdings«, er taumelte aus dem Bett. »Ich muss Euch etwas zeigen.« Martin entnahm seinem Bündel ein Kreuz und gab es dem Abt. Der hielt es in der flachen Hand und betrachtete das ovale Bild, das in das Gold eingelassen war. Es zeigte Jesus, den Pantokrator, den Weltherrscher. Mit der Bibel in der Hand und dem Heiligenschein um das Haupt, schien er dem Abt gerade ins Gesicht zu blicken.
»Woher hast du es?«
»Von Otto von Baerheim. Ich soll es seiner Frau Gertrude bringen, damit sie es in der Burgkapelle aufstellt. Sein Sohn Bernhard hat es aus einer zerstörten Kirche in Belgrad genommen. Er meinte, die Byzantiner seien alle keine richtigen Christen, weil sie den Papst nicht als den Stellvertreter Christi anerkennen. Deswegen könne er es behalten. Außerdem werde es sonst von Räubern aus der Kirche gestohlen, was wohl wahr ist. Aber ich weiß nicht, ob er das hätte tun dürfen.«
»Du fragst dich, ob das Plündern oder Diebstahl war.«
Martin nickte. »Ich stelle mir vor, wenn ich ein Ritter wäre, so würde es gegen meine Ehre verstoßen.«
Martin machte wieder dieses trotzige Gesicht, das langsam ganz kleinmütig und unzufrieden wirkte. Der Abt beobachtete beunruhigt die Veränderung. Er hoffte, dass Martin sich wieder fangen würde. Und wirklich begannen sein Mund, seine Wangen und noch mehr seine Augen aufzublühen, als er gestand: »Ich denke oft an meinen Vater. Ich kenne ihn ja nicht. Aber ich wünschte mir, er wäre ein edler Ritter. Ich stelle mir vor, wie er die Armen, die Hilfsbedürftigen, verteidigt, wenn sie von Räubern überfallen werden. Ich träume davon, dass er tapfer und mutig und furchtlos ist.« Martin hatte nun glänzende Augen bekommen und sah die Fantasiegestalt, die für ihn so real war, als könnte er seinen Vater greifen.
Währenddessen saß der Abt starr und aufrecht neben Martins Bett, ebenfalls den Blick auf etwas Unsichtbares gerichtet. Er war wie entrückt und gleichzeitig sog er jedes Wort in sich auf.
»Vielleicht weiß mein Vater gar nicht, dass es mich gibt. Sonst hätte er sich doch einmal in den vielen Jahren um mich gekümmert. Vielleicht hat er kein Kind außer mir und wäre froh, einen leiblichen Sohn zu haben.«
Der Abt schüttelte unwillig den Kopf.
»Martin«, ermahnte er den Jüngeren. »Sei du selber ein Mann. Wie jeder von uns wirst du eine Aufgabe von Gott erhalten. Deine Pflicht ist es, schnell gesund zu werden. Du warst sehr krank, du warst todkrank. Darum habe ich mich deiner angenommen. Du brauchst meine Hilfe nicht mehr. Bruder Thaddäus wird dich von nun an versorgen. Er ist ein gütiger, weiser Mönch. Du wirst ihn mögen.«
Martin machte ein bekümmertes, trauriges Gesicht. Nun hatte er einmal einem Menschen anvertraut, was er sich wirklich wünschte und erträumte, und schon zog sich dieser von ihm zurück. Der Abt sah Martins Enttäuschung.
»Ich lasse dich nicht allein. Nur habe ich viele andere Aufgaben, die jetzt während der Krankenpflege liegen geblieben sind. Und gerade zum Heiligen Christfest kann und darf ich die Brüder nicht länger allein lassen. Für viele Mönche habe
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