Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
ihm bedingungslos gehorchen und der auch schon früher gegen Kaiser Alexios Krieg geführt hat. Alexios wird also versuchen, ihn umgehend nach Romanien zu schicken, damit er da gegen die Türken kämpfen kann.«
Er seufzte. »Der Kaiser wird überhaupt versuchen, die vielen Menschen schnell loszuwerden, die er nun versorgen muss. Er hat kampferprobte, gut bewaffnete und disziplinierte Ritter im Sinne gehabt, als er den Papst um Hilfe bat, nicht einen Zug von Frauen und Kindern und Männern, von denen viele keinerlei Kriegserfahrung haben. Die sind ihm eine Last.«
So wie ich, dachte Martin.
»Nun, Kaiser Alexios kann sie doch nicht gleich wieder fortschicken«, wandte der Mönch ein. »Er wird den Heerführern seine Gastfreundschaft erweisen, er hat sie schließlich in sein Land gerufen und sie müssen sich nach dem langen Marsch ausruhen.«
Der Abt wiegte zweifelnd den Kopf.
»Die Byzantiner sind ein kunstsinniges, feinsinniges Volk. Sie halten uns jedoch für grobschlächtig und meinen, wir hätten schlechte Manieren, was Prinzessin Anna sicher missfallen wird, obwohl sie für männliche Schönheit durchaus empfänglich sein und dieser ihre Bewunderung nicht versagen soll.
Trotzdem, ich fürchte, Kaiser Alexios hat unsere Heere längst zu den Türken geschickt, bevor Martin in Konstantinopel ankommt.«
Betretenes Schweigen folgte. Bruder Franzius griff nach dem Tonkrug und schenkte sich plörrend Wein ein. Martin sah den Abt erstaunt an. Von Umgangsformen war die Rede, während er die in Eile sich durch die Landschaft schleppenden, durchnässten, frierenden Männer, Frauen und Kinder vor sich sah, die ihre Hoffnung auf Jerusalem setzten, auf das Ende von irdischem Leid und schrecklichen Höllenqualen.
Außerdem war es ihm unangenehm, dass über ihn gesprochen wurde. So sagte er trotzig:
»Ich werde das Heer Herzog Gottfrieds schon rechtzeitig erreichen und von den Türken lass ich mich nicht ermorden.«
Gleich nach der Mahlzeit brachen der Abt und Martin auf. Nun ritt Martin still neben dem Älteren. Er bereute sein unfreundliches Benehmen, mochte sich jedoch auch nicht entschuldigen. Der Abt fragte ihn nach einer Weile des Schweigens, worüber er nachdenke.
Martin wich aus.
»Es ist sonderbar. Ihr wisst viel mehr über diesen Kreuzzug als ich.«
»Nicht mehr, sondern anderes«, antwortete der Abt.
»Ich weiß eigentlich gar nichts über das Gebiet jenseits des Arms des St. Georg, über die Türken und den Islam.«
»Möchtest du, dass ich dir etwas erzähle?«
Martin schüttelte den Kopf. »Heute nicht. Und ein Morgen gibt es nicht.«
»Nur so viel musst du bedenken. Der größte Teil der uns bekannten Welt ist von den Moslems erobert worden. Ihr habt einen harten, unerbittlichen Kampf vor euch. Mohammed selbst hat eine große Karawane aus Mekka überfallen und jahrelang Krieg gegen diese Stadt geführt.
Zehn Jahre nach seinem Tod, im Jahre 632, also von 634 bis 644, haben die Moslems Ägypten, Palästina und damit Jerusalem, Syrien, Mesopotamien, Persien unterworfen, kurze Zeit später Nordafrika bis zum Atlantik und dann Spanien bis über die Pyrenäen. Selbst in Frankreich haben sie Krieg geführt und sogar auf dem St. Bernhard einen Abt von Cluny gefangen genommen.«
»Was aber erwartet mich?«, fragte Martin mit einem besorgten Unterton, den er zu verbergen suchte.
»Dich erwarten die Seldschuken, ein kriegerisches Reitervolk aus dem Osten, das vor Kurzem zum Islam übergetreten ist. Vor nun 26 Jahren schlugen sie die Byzantiner in der Schlacht bei Mantzikert. Danach eroberten ihre Krieger das ganze weite, seit 1.000 Jahren von Christen bewohnte Land zwischen dem Schwarzen Meer und dem Mittelmeer. Die Bevölkerung, meist Bauern in kleinen Dörfern, konnte sich nur ergeben, wenn sie nicht niedergemetzelt werden wollte.
In der 4. Sure des Korans steht, dass diejenigen, die um des Islams willen Krieg führen, mit gewaltigem Lohn ausgezeichnet werden und einen höheren Rang im Paradies erhalten als diejenigen, die daheim bleiben.«
»Genauso wie bei uns«, überlegte Martin.
»Allerdings mit dem Unterschied, dass das nicht von Jesus Christus, sondern vom Papst gepredigt wird«, entgegnete der Abt. »Unterschätze die Türken niemals. Sie sind kampferprobte, mutige und mit besten Waffen ausgerüstete Gegner. Sehr viele von unseren Leuten werden auf dem Weg nach Jerusalem sterben.«
Martin antwortete darauf nicht. Die letzten Worte des Abtes hatten seinen Kampfgeist wieder angestachelt. Ihn
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