Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
haben war, machte Alice für ihn umso reizvoller.
Sie schüttelte den Kopf. Nein, an Graf Hugo Vermandois habe sie gar nicht gedacht.
»Ich schon«, antwortete Bernhard. »Den ganzen Tag habe ich an nichts anderes gedacht.
Ich weiß nicht, was ich von diesem Verbündeten halten soll. Erst bittet der Kaiser von Byzanz den Papst um Hilfe gegen dieses Turkvolk, die Seldschuken, und als sich die Christenwelt zu Tausenden aufmacht, um ihm gegen die Ungläubigen beizustehen, wagt er es, den Bruder des Königs von Frankreich einzusperren.«
»Ja, ist er denn im Kerker?«
»Das wohl nicht. Aber Hugo darf den kaiserlichen Palast nicht verlassen. Ich kann die Wut unserer Männer gut verstehen, das schlechte Essen, die ständige Bewachung durch Soldaten, die keine richtigen Christen sind.«
Er machte eine Pause.
»Ich fürchte«, fuhr er fort, »dass auf den Kaiser kein Verlass ist, dass er uns gar, sobald wir das von den Seldschuken beherrschte Gebiet betreten haben, im Stich lässt. Nun, wir sind stark, sehr stark. Wir werden kämpfen, das sag ich dir.«
Dann besann er sich, dass er doch mit Alice über ihren Kummer, ihre Sorge sprechen wollte.
»Also, was bedrückt dich?«
»Mein Vater ist am Morgen nach Selymbria aufgebrochen und bis jetzt nicht zurückgekommen.«
Bernhard machte ein besorgtes Gesicht.
»Das ist wahrlich beunruhigend. Es hat Verletzte gegeben, Tote, auf beiden Seiten. Nein, nein, so schlimm muss es nicht sein. Vielleicht ist dein Vater nur leicht verletzt.«
»Verletzt? Meint Ihr, dass er verletzt ist?«
Bernhard zuckte die Schultern.
»Ich darf hier nicht länger warten. Ich muss ihn suchen«, flehte Alice.
»Du? Eine Frau? – Verlass dich drauf. Ich werde deinen Vater finden.«
»Ich kann aber nicht länger warten. Ich halte das nicht aus.«
Bernhard entschied gönnerhaft: »Du darfst mich begleiten. Wenn du meine Ohrringe annimmst.« Er lachte.
Alice gab nach. Sie stand auf, wobei sie schnell ihren braunen Leinenrock glatt strich.
Zusammen gingen sie zu den Pferden, von denen Bernhard ihr eine Stute zuwies. So sorgenvoll Alice auch war, niemals hätte sie gehofft, erwartet, jemals gemeinsam mit dem Ritter Bernhard von Baerheim auszureiten. Trotz der Angst um ihren Vater bemerkte sie, wie die Frauen ihr neidvoll nachblickten.
Gleichwohl wusste Alice nicht, was sie sagen sollte. Sie fühlte sich beklommen, gering neben dem Mann an ihrer Seite, der nicht nur im Rang als Adeliger weit über ihr stand, sondern dem sie schon seit Wochen mit Befangenheit begegnete, wo immer sie ihn zufällig traf. Nur an ihm vorbeizugehen, rief bereits Schamesröte hervor und sie wurde die zwanghafte Vorstellung nicht los, sie bekäme einen Krampf und müsse hinken.
Und dann das Baden aller gestern! Dabei war sie mit den Frauen zusammen ins Wasser gegangen. Dennoch hatte sie sich unentwegt umgeschaut, um sich zu vergewissern, dass sie auch nicht von Bernhard unbekleidet gesehen würde. Ihre Sorge hatte sich allerdings als unbegründet erwiesen. Bernhard war mit anderen jungen Rittern weit von ihr entfernt um die Wette geschwommen.
Nun aber musste sie sich mit ihm unterhalten, wobei es allerdings sein Part war, ein Gespräch zu beginnen, was Bernhard auch tat.
»Du reitest gut«, lobte er Alice. »Es muss doch ziemlich langweilig sein, immerzu im Wagen zu sitzen.«
»Doch, ein wenig öde ist es schon«, antwortete sie für seinen Geschmack zu einsilbig.
Bernhard wies mit seiner Fackel auf ein brennendes Bauernhaus in der Ferne und fragte Alice, ob sie schon einmal einen Brand miterlebt habe.
Alice verneinte. Aber mit dem Willen, es diesmal nicht bei einer kurzen Antwort zu lassen, fiel ihr die Feuersbrunst ein, von der Martins Mutter Martha so häufig, fast flüsternd, mit schauriger Stimme erzählt hatte.
»Es war, als ich gerade geboren war«, begann sie. »Da sind viele Hütten von unfreien Bauern niedergebrannt, als alle Männer, Frauen und Kinder auf den Feldern waren und für das Kloster die Ernte eingebracht haben.«
»Ich denke, ich weiß, welchen Brand du meinst. Obwohl ich gar nicht mehr in der Gegend lebte. Meine Eltern hatten mich schon zu dem fremden Grafen weggegeben. Ich war wohl sieben oder acht«, bemerkte er.
Alice überlegte, dass Bernhard demnach 23 oder 24 Jahre alt sein müsste. Das war ja eigentlich nicht so viel älter, als sie selbst es war.
»Hat deine Magd dir auch erzählt, dass an diesem Tag der Himmel schwarz war und die Mönche die Reliquien des Klosters aufs freie
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